Die siebte Gemeinde (German Edition)
mussten.
»Nicht so schnell«, flüsterte Emma. »Ich kann überhaupt nichts erkennen.« Sie fuchtelte hektisch mit der Hand, bis sie Elias’ Fuß zu fassen bekam. »Uh, ich hoffe, das ist deiner.«
»Ja, ist er. Warte, ich habe noch eine Taschenlampe für dich.« Er nestelte in seinem Rucksack und schob eine Lampe nach hinten zu Emma durch. »Jetzt sollte es besser gehen.«
Sie robbten weiter, und Emma vermutete, dass sie längst hinter der Wand des Parkhauses verschwunden sein mussten. Mit jedem Meter wurde der Schacht zunehmend höher, und irgendwann konnten sie auf ihren Knien kriechen. Trotz ihrer Taschenlampen schien die Dunkelheit das Licht regelrecht zu verschlingen. Zwei bis drei Meter Sicht, mehr war nicht möglich. Emma summte leise vor sich hin.
»Was wird das?«, fragte Elias. »Sollen wir ein Liedchen anstimmen?«
Emma schlug ihm gegen sein Bein. »Hattest du noch nie Angst? Singen oder summen beruhigt, das solltest du auch mal versuchen.«
»Halt, hier!«, rief Elias plötzlich und stoppte.
»Was ist?«, fragte Emma.
»Hier geht es nach unten. Das ist ein Schacht, ich vermute ein alter Brunnen.«
Emma hörte, wie Elias vor sich mit der Hand die Wände abtastete und gleichzeitig mit der Lampe versuchte, die Konturen zu erkennen. Sie leuchtete nach vorne, sah allerdings nur Elias’ Hinterteil.
»Hier ist eine Leiter, die nach unten führt«, informierte er sie. »Warte, ich versuche, mich zu drehen.«
Vorsichtig ächzte er sich herum und schaute in Emmas Gesicht. Er lächelte sie kurz an und schob sich auf dem Bauch zurück, bis seine Beine im Schacht baumelten.
»Ich steh auf einer Leiter«, sagte er und verschwand bis zur Brusthöhe in dem Loch. »Scheint stabil zu sein. Gib mir bitte den Rucksack, ich gehe vor. Wenn ich unten angekommen bin, gebe ich dir das Okay, dass du folgen kannst.«
Emma nickte stumm und gab ihm den Rucksack. Nach und nach verschwand er in der Tiefe. Sie rutschte nach vorne und leuchtete in den Schacht.
Kaum war sie dort angelangt, hörte sie Elias’ Stimme: »Ist nicht weit«. Er wedelte ihr von unten her mit der Lampe zu. »Sind nur wenige Meter, du musst nur zusehen, dass du sicher auf den ersten Tritt der Leiter kommst.«
»Leichter gesagt, als getan«, murrte sie. Ihre Hände waren schwitzig. »Schließlich bin ich ’ne Büromieze und kein gottverdammter Survivalspezialist.« Sie klemmte sich die Taschenlampe unter ihre Jacke, drehte sich vorsichtig nach hinten, bis sie glaubte, mit dem linken Bein die Stufe erfasst zu haben. Sie ruckelte mit dem Bein auf der Sprosse herum, um die Festigkeit zu überprüfen. Erst dann zog sie ihr rechtes Bein nach und fühlte mit ihren Händen nach einem Griff. Plötzlich hatte sie das Gefühl, rücklings in den Schacht zu fallen und hielt sich im letzten Moment vor sich an der Wand fest.
»Das ist eine ganz normale Leiter«, rief Elias. »Greif nach unten zu deinem Fuß. Dort kannst du dich an ihr festhalten.«
»Ich habe sie«, sagte Emma laut ausatmend, und wenige Augenblicke später stand sie schweißgebadet neben Elias.
Dieser grinste sie an. »Nach oben wird es leichter, versprochen.«
»Noch so ein paar Dinger, und ich kotz dir vor Angst auf die Füße.«
»Vielleicht müssen wir das gar nicht«, meinte Elias. »Schau mal, hier gibt es zwei Wege.« Er leuchtete vor sich, und Emma sah, dass jeweils ein Weg halbrechts und halblinks ins Dunkle führte. Die beiden Stollen waren hoch genug, um aufrecht hineingehen zu können.
»Das sind doch Mauern hier. Oder irre ich mich?«, fragte Emma. »Sind wir nicht bereits höllisch tief unten?«
»Ja, das sind Mauern«, bestätigte Elias. »Die Römer in Köln haben sechs bis acht Meter tiefer gelebt als wir heute. Das ist also durchaus möglich, dass sich so weit unten gemauerte Objekte befinden. Die hoffen übrigens immer noch, bei den Bauarbeiten der Altstadt-U-Bahn auf einen alten Römertempel zu treffen.«
»Welchen Gang sollen wir nehmen?«
Elias holte ein Kästchen aus seinem Rucksack, hielt ihn vor sich und deutete nach rechts.
»Was ist das?«, fragte Emma.
»Ein Kompass. Der Dom liegt in südlicher Richtung, und dorthin sollten wir gehen.«
»Ein Kompass? Funktioniert der hier unten?«
Er blieb stehen und schaute sie prüfend an. »Das ist ein Kompass, kein Handy. Natürlich geht der hier unten.«
»Sorry fürs Blödsein«, knurrte sie. »Bei dem Stress kann ich nicht denken.«
»Geschenkt«, winkte Elias ab und lief los.
»Sollen wir hier schon
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