Die Siechenmagd
Hannes gepresst von sich, der mit den zwei größeren Buben den Tierkarren den steilen Weg hinaufzieht, und wischt sich erschöpft die Schweißperlen von der Stirn.
Als sie sich aber der Anhöhe mit der Burg nähern, ist weit und breit keine Ortschaft in Sicht. Rings um das kleine Kastell scheint es nichts anderes als endlose Wälder zu geben.
„In ungefähr einer Stunde fängt es schon an, dunkel zu werden. Wir müssen uns jetzt überlegen, ob wir weiter in Richtung Eisenach marschieren und darauf hoffen, dass wir bald ein Kloster oder ein Gehöft finden, wo wir unterschlüpfen können, oder ob wir unseren ganzen Mut zusammennehmen und mal auf der Burg nachfragen, ob wir vielleicht im Stall kampieren dürfen“, erwidert der Schausteller nachdenklich.
Alle schrecken zusammen, als hinter ihnen im Tannendickicht ein großer Vogel aufflattert.
„Das war eine Eule und Eulen bringen Glück! Also, lasst es uns doch einfach mal da oben probieren. Mehr als wegschicken können die uns nicht!“, schlägt Lisbeth vor.
Zur Burg hin wird der kleine Trampelpfad immer steiler und sie müssen mehrfach anhalten, um zu verschnaufen. Als sie die hölzerne Zugbrücke passieren und schließlich vor dem großen, verschlossenen Burgtor stehen, ist allen recht mulmig zu Mute.
„Also los!“, raunt Lisbeth den anderen zu und betätigt den schweren Türklopfer. Selbst sie scheint ein wenig Angst vor der eigenen Courage zu haben, wie ihr angespanntes Gesicht verrät. Nachdem sie eine Weile gewartet hat und sich noch immer nichts tut, versucht sie es erneut. Endlich hört man Schritte durch den Innenhof kommen und eine kleine Luke im Portal wird geöffnet. Der alte, grauhaarige Diener hört sich ihr Begehren an und bescheidet sie zu warten. Es dauert lange, bis er zurückkehrt und die Schausteller rechnen eigentlich schon fest damit, wieder weggeschickt zu werden. Als der alte Mann ihnen dann aber schließlich die Tür öffnet und sie einlässt, sind alle angenehm überrascht.
„Unser hochwohlgeborenes Freifräulein Irmingard von Henneberg hat am heutigen Tag Geburtstag. Ihr Bräutigam, der Markgraf von Meißen, veranstaltet ihr zu Ehren eine Festivität hier auf dem gräflichen Jagdschloss. Deswegen lassen die Herrschaften sich überhaupt dazu herab, sie einzulassen, um am Abend vor der Festgesellschaft ihre Possen aufzuführen. Ich soll sie zu den Stallungen bringen, wo sie ihr Quartier für die Nacht nehmen dürfen. Dort können sie ablegen und sich zurecht machen. Einer der Stallburschen soll sie später zur Küche bringen, wo sie sich stärken mögen. Ich gebe ihnen dann Bescheid, wann ihr Auftritt gewünscht wird“, verkündet der Kammerdiener distanziert, blickt dabei unbewegt über die Reisenden hinweg und geleitet sie mit würdevollen Schritten zu ihrer Unterkunft.
Die drei Stallburschen, die um einen Tisch sitzen und Karten spielen, scheinen nicht besonders erfreut darüber zu sein, ihre ohnehin enge Kammer mit sechs weiteren Schlafgästen teilen zu müssen.
„Wir haben nur drei Strohsäcke hier, wie soll das gehen?“, murrt der Älteste von ihnen.
„Es ist die Anweisung des Herrn Grafen! Mehr gibt es dazu nicht zu sagen. Wie Ihr es macht, soll mir egal sein“, entgegnet der grauhaarige Diener knapp. „Für die Nachtlager der Gaukler könnt Ihr ja ein paar Pferdedecken nehmen“, fügt er hinzu und entfernt sich rasch.
„Die beiden Weibsleute kriegen wir schon noch unter, die können bei uns schlafen“, schlägt einer der Stallburschen mit anzüglichem Blick auf Mäu und Lisbeth vor. „Und das Männlein und die Buben können sich drüben in der Ecke ausbreiten.“
„Nix da, wir schlafen alle in der Ecke! Wir sind keine käuflichen Metzen, sondern anständige Frauen, auch wenn wir Fahrende sind! Merkt Euch das! Und jetzt bringt uns ein paar Decken her und dann werden wir uns schon für eine Nacht vertragen“, entgegnet Lisbeth resolut und mustert dabei die Pferdeknechte mit gestrengem Blick, während sie ihnen ihre Leute und sich selber vorstellt.
Die Stallburschen grüßen etwas betreten und der Vorlaute murmelt auf den Wink seines älteren Kollegen hin rasch eine Entschuldigung für seine zuvor geäußerte Despektierlichkeit. Auf Anordnung des Ältesten verschwinden die beiden anderen sogleich und kehren rasch mit einem Stapel Wolldecken zurück, die sie an die Neuankömmlinge verteilen.
Baldur, der dienstälteste Stallknecht, der gleichzeitig auch Futtermeister ist, nimmt daraufhin einen Krug
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