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Die Siechenmagd

Die Siechenmagd

Titel: Die Siechenmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Neeb
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Lächeln. Auffällig ist, wie sehr ihr die übrigen Damen der Tischgesellschaft ähneln, mit ihren bleichen, ätherischen Engelsgesichtern, die hochgewölbte, brauenlose Stirn umrahmt von sanft gewelltem Haar in allen Schattierungen zwischen Safran und Kupferrot. Ihre Gewänder aus Samt oder Brokat sind der kühleren Jahreszeit entsprechend pelzverbrämt und variieren in den Farbtönen grau oder rot. Auch die Herren sind aufs Feinste herausgeputzt und nicht selten mit Perlen geschmückt. Die meisten tragen ihre langen Haare offen über den Schultern. Einige haben Zopffrisuren, die von goldenen Spangen zusammengehalten werden. Das Haupt des Bräutigams, Markgraf von Meißen, ziert gar ein feines Seidennetz, welches in der aristokratischen Herrenmode als besonders en vogue gilt.
    Mit einer herrischen Handbewegung unterbricht der Hausherr, Graf von Henneberg, das Lautenspiel eines jungen Barden, der an der entgegengesetzten Stirnseite der Tafel für die Tischgesellschaft musiziert, und gibt den Schaustellern den knappen Befehl, doch sogleich mit ihrer Aufführung anzufangen.
    Die Truppe beginnt mit ihren Tänzen, begleitet von der eigenen, wenig melodischen Katzenmusik und die kleine Tierschau wird wie immer von Hannes hochdramatisch angekündigt. Die beiden Äffchen werden auch bald von den Leinen gelassen und vollführen ihre üblichen Kunststückchen, geraten dabei aber immer mehr außer Rand und Band. Ob sich nun die Aufgeregtheit ihrer Halter auf sie übertragen hat oder die ungewohnt förmliche, gekünstelte Atmosphäre sie irritiert, möglicherweise auch vom Duft der feinen Speisen angestachelt, die Affen werden jedenfalls immer wilder und unflätiger. Springen auf den Tisch, plantschen in den übrig gelassenen Essensresten auf Tellern und Schüsseln herum, dass es nur so spritzt, springen den entsetzten Aristokraten auf die Schultern und beschmieren ihre edlen Gewänder. Dabei veranstalten sie ein markerschütterndes Gekreische. Der Festsaal wird zusehends zum reinsten Affenzirkus, mit ungehaltenen, konsternierten Gästen und die ohnehin bleichen Gesichter der Damen werden noch um einiges fahler. Nicht wenige von ihnen verlieren bei dem dreisten Schabernack der Affen endgültig ihre Contenance und schreien gellend mit den Tieren um die Wette. Die Gastgeber sind schockiert und der markgräfliche Bräutigam versucht verzweifelt in befehlsgewohntem Tonfall dem ganzen Spuk Einhalt zu gebieten – vergebens, denn die Affen sind einfach nicht mehr zu bremsen. Auch die Tierbändiger haben längst keinen Einfluss mehr auf sie, stehen nur noch hilflos und betreten herum, bereit, auf der Stelle in den Boden zu versinken, wenn es nur möglich wäre, als plötzlich ein lautes, sehr undamenhaftes Prusten aus dem Munde des Freifräuleins zu vernehmen ist. Eindeutig: Die Edeldame wird von heftigen, krampfartigen Lachanfällen geschüttelt. Ihr schmales Antlitz ist gerötet, und Tränen laufen ihr aus den Augenwinkeln. Ihr Lachen scheint ansteckend auf die übrige Festgesellschaft zu wirken, denn bald beben immer mehr vornehme Zwerchfelle in nicht enden wollenden Heiterkeitsexzessen. Nachdem sich der erste Orkan gelegt hat, schnaubt die Jubilarin laut und vernehmlich in ein spitzenbesetztes Damasttuch und verkündet mit heiserem Stimmchen, dass sie selten so gelacht habe. Nach einer kurzen Zeit der Stille, beginnt der ganze Saal ausgelassen zu applaudieren, der markgräfliche Bräutigam, anfangs noch leicht mitgenommen, scheint inzwischen jedoch in aufgeräumtester Stimmung zu sein und wirft den verdutzt dreinblickenden Schaustellern in einer Aufwallung von noblem Übermut eine große Silbermünze vor die Füße.
    Als die kleine Gruppe am nächsten Morgen in Richtung Eisenach zieht, können alle das unerwartete Glück noch immer nicht fassen. Die Schaustellerfamilie ist vollkommen aus dem Häuschen über die mehr als großzügige Gabe des jungen Grafen. Lisbeth und Hannes haben vor lauter Aufregung die ganze Nacht kein Auge zugetan, die drei Buben springen aufgedreht vor ihnen her und Mäu strahlt beim Anblick ihrer glücklichen Reisegefährten. Sie weiß, dass der Silbertaler für die bettelarmen Leute eine lange, sorgenfreie Zeit bedeutet, was sie ihnen von ganzem Herzen gönnt.
    „Wenn man den Taler teilen könnte, würdest du ein ordentliches Stück davon abkriegen“, wendet sich Hannes an Mäu.
    „Wir können ja später irgendwo wechseln lassen, und dann geben wir Mäu ihren Anteil“, schlägt Lisbeth vor.
    „Ach was!

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