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Die Siechenmagd

Die Siechenmagd

Titel: Die Siechenmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Neeb
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bewirkt hätte, dass er sich von Tag zu Tag kraftloser gefühlt habe. Nach und nach wäre so seine gesamte Lebenskraft aus ihm gesogen worden. Die ,Mumie’ hätte Sie aus dem Blut ihres jüngst verstorbenen Kindes hergestellt, das Sie selber hinterrücks gemeuchelt habe. Schon seit vielen Jahren, einmal im Monat, bei Vollmond, würde Sie sich mit anderen Hexen treffen, die den Teufel anbeteten und mit ihm Unzucht trieben. – Was hat Sie dazu zu sagen? Ist Sie geständig?“, fragt der Mönch ohne aufzublicken.
    Die junge Frau besinnt sich kurz und murmelt mit schmerzverzerrtem Gesicht, dass sie lieber sterben würde, als sich selbst solcher Dinge zu bezichtigen. Die „Mumie“ hätte doch ihr Ehemann selber von einem Wunderdoktor aus der Stadt erworben, um damit sein böses Ekzem zu heilen, das er schon seit einiger Zeit an seinem Geschlecht habe. An der Erkrankung ihres Mannes sei sie unschuldig. Sie habe doch selber schon genug darunter zu leiden gehabt, dadurch, dass er sie stets zu züchtigen pflegte, wenn ihm der Verkehr mit ihr vor lauter Schmerzen nicht gelingen wollte. Ihr eigenes Kind ermordet zu haben, weist sie mit aller Vehemenz von sich:
    „Das Mäxchen ist doch mein Augapfel gewesen, und als es morgens tot in seiner Wiege lag, hat es mir förmlich das Herz gebrochen!“, stammelt die der Hexerei bezichtigte junge Frau und fängt so herzzerreißend an zu weinen, dass es selbst den abgebrühten Henker dauert. Den Dominikaner hingegen scheint ihr Wehklagen nicht zu berühren. Mit kaltem Blick auf die junge Frau erteilt er dem Scharfrichter die Anweisung, die Angeklagte noch einige Stunden in dieser Position zu belassen.
    Als ihre Schmerzensschreie nach drei Stunden immer lauter werden, entscheidet der Ordensmann, der die ganze Zeit schreibend und lesend an seinem Pult zugebracht hat, nun eine weitere Befragung durchzuführen. Mariechen Zorn beteuert jedoch immer noch ihre Unschuld. Ungehalten weist der Inquisitor den Henker an, am nächsten Morgen mit der zweiten Stufe der Tortur fortzufahren, und entfernt sich. Während der Züchtiger die halb ohnmächtige Frau wieder in die Gefängniszelle führt, liefern die Stadtbüttel eine neue Gefangene ein.
    Als die Büttel ihm anschließend berichten, um wen es sich handelt, ist der Scharfrichter schockiert. Er hat die Schundmummelstochter fast nicht erkannt, so schlimm ist sie zugerichtet. Während er kurz mit der Gefangenen alleine ist, versucht Meister Hans ein paar Worte mit Mäu zu wechseln, doch das sonst so muntere Mädchen wirkt auf ihn so apathisch, als hätte sie schon mit allem abgeschlossen. Er wird sie in den nächsten Tagen ebenfalls der peinlichen Befragung unterziehen müssen, solange, bis sie gestanden hat, weswegen man sie anklagt: Ihren Dienstherrn auf dem Gutleuthof erschlagen zu haben, um sich anschließend seiner Habe zu bemächtigen. Hoffentlich gibt sie alles zu, dann erspart sie sich wenigstens die lange Folter. Und wenn dann später die Todesstrafe an ihr vollstreckt werden muss, wird er die traurige Pflicht haben, das arme Kind an Händen und Füßen gefesselt und in einen Sack mit Steinen genährt, vorne am Gickelkreuz im Main zu ertränken – wie es das Todesurteil für Frauen vorsieht. Er kennt die Maria von klein auf und hat sie immer gern gehabt. Eine üble Geschichte ist das! Warum hat der alte Raffzahn sie auch auf den Gutleuthof gebracht? Ist doch kein Wunder, dass das Mädchen da durchdreht, unter all den Aussätzigen. Er wird ihr helfen, so gut er kann und sie schonen, wo es nur geht.
    Es ist bereits Abend geworden, als Meister Hans den Gefängnisturm wieder verlässt. Er ist in denkbar schlechter Stimmung und hat, wie so oft, nur noch den einen Wunsch: sich hoffentlich zu betrinken. Zu diesem Zweck steuert er die nahe gelegene „Brückenschenke“ an.
    Als der Henker in den Schankraum kommt, verstummen plötzlich alle Gespräche. Verstohlenes Flüstern ist zu hören: „Der Angstmann ist da!“
    Am Eingang bleibt er stehen, den Blick gesenkt, und wartet, bis der Wirt ihm einen kleinen Tisch an die Tür rückt mit einem dreibeinigen Hocker dazu, auf dem er sitzen kann. Dreibeinig muss der Henkersstuhl sein, dreibeinig wie der Galgen, so schreibt es das Gesetz vor. Hastig, ohne ihn eines Blickes zu würdigen, bringt der Wirt dem Henker einen Krug mit Bier und achtet dabei peinlich darauf, dass er Abstand hält, fast wie gegenüber einem Aussätzigen. Der eigens für den Scharfrichter vorgesehene Krug, aus dem kein anderer

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