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Die Siechenmagd

Die Siechenmagd

Titel: Die Siechenmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Neeb
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trinken würde, ist sehr einfach und darf keinen Deckel haben wie die Trinkkrüge der unbescholtenen Zunfthandwerker. Einsam und isoliert sitzt Meister Hans an seinem Tisch und leert einen Humpen nach dem anderen. Für jeden, der ihm Gesellschaft leisten und sich zum Saufkumpan des Angstmanns machen würde, wäre dies der sichere Untergang. Ein Handwerker, der mit dem Henker spricht oder sogar zecht, wird sofort aus der Zunft ausgeschlossen und gilt fortan als unehrlich. In den meisten Fällen wird der Betreffende den Freitod wählen, weil er mit dieser Ausgrenzung nicht leben kann.
    Wehmütig denkt Meister Hans an das Bruderschaftstreffen bei Meister Waldemar in Köln, zu dem er letzte Woche angereist war. Unter den „Vettern“ * fühlt er sich wohl. Sie alle sind Schicksalsgenossen und teilen das schwere Los miteinander, das ihnen gleichsam in die Wiege gelegt wurde: Vollstrecker des Todes sein zu müssen. Jedes Jahr trifft sich die Bruderschaft der Scharfrichter, in der alle Henker des Landes vereinigt sind, bei einem anderen Gildenbruder. In ihrem Emblem führen sie das Henkersbeil, auf blutroten Samt gestickt, welches feierlich auf den Festtisch platziert wird, um den sich sodann die Vettern versammeln. Das berüchtigte Henkersmahl wird abgehalten und sie feiern und zechen drei Tage lang, tauschen sich aus in Bezug auf Neuigkeiten. Es wurde berichtet, dass ein junger Henker aus dem Spessart sein Opfer bei der Hinrichtung mit dem Schwert verfehlte, was das Tragischste ist, das einem Scharfrichter überhaupt passieren kann. In diesem Fall wäre das blutrünstige Hinrichtungspublikum über den gescheiterten Profoss hergefallen und hätte ihn niedergemetzelt. Keine Seltenheit in der Geschichte der Hinrichtungen, wie Meister Hans bekannt ist. Meister Hans weiß ebenfalls, dass die meisten Vettern Trinker sind wie er. Das fängt oft schon beim „Meisterstück“ an, der ersten Hinrichtung, vor der sich viele Henker Mut antrinken müssen, denn die wenigsten betreiben ihre Profession aus Neigung, sondern lediglich aus dem Zwang heraus, in diesen verachteten Berufsstand hineingeboren zu sein. Man sprach auch über das Begräbnis des alten Meisters Knut auf dem Schindanger vor den Toren von Hamburg, auf welchem sich die Bruderschaft das letzte Mal getroffen hatte.
    Niemand außer Henkern geht zur Beisetzung eines Henkers! , sinniert Meister Hans bitter. Er denkt an den „abtrünnigen“ Gildenbruder aus dem Schwäbischen, von dem ebenfalls die Rede war. Er hatte bei seinem Landesfürsten die „Ehrlichmachung“ für sich und seine Familie erbeten. In manchen Gegenden konnte das nach der hundertsten Hinrichtung gewährt werden. Durch die Berührung mit dem Schwert eines Herrschers konnte so die alte Unehrlichkeit vom Henker genommen werden. Er durfte sich dann ein anderes Handwerk erwählen, das aber immer unter den unehrlichen Berufen angesiedelt sein musste, denn die Aufnahme in eine rechtschaffene Zunft konnte ein ehemaliger Henker niemals erlangen.
    Am liebsten würd ich den feinen Herren vom Rat auch den Bettel vor die Füße werfen, sollen sie sich doch einen anderen Schelm suchen, der die armen Weiber für sie quält! , denkt Meister Hans mit Ingrimm und bestellt den nächsten Bierkrug. Die heutigen Anweisungen des verdammten Kuttenträgers widerstrebten ihm zutiefst. Aber so etwas wird wohl jetzt noch häufiger an ihn herangetragen werden, nach dem Papsterlass von 1484, der landesweit dazu aufgerufen hatte, zauberische Frauen verstärkt zu verfolgen.
    ,Leicht und ohne Blutvergießen’, was für ein Hohn! Die gellenden Schreie der Zornin schmerzen ihn jetzt noch im Ohr. Wie lange die das wohl noch durchhalten wird? So zart, wie sie ist, wird sie bestimmt bald schlapp machen und alles gestehen. Hoffentlich!, grübelt der inzwischen betrunkene Henker.
    Und jetzt auch noch die Schundmummeistochter! Er kann dem armen Mädel doch nicht wirklich ein Haar krümmen! Das ist ja fast schon so, als würde man Hand an die eigenen Leute legen!
    Sein Kopf wird schwer und die Augenlider fallen ihm zu, er schaut sich um und stellt fest, dass er mal wieder der Letzte in der Schenke ist.
    Der Angstmann gibt dem Wirt ein Zeichen, der sich gähnend auf ihn zubewegt und bezahlt seine Zeche, indem er die Münzen auf die Tischplatte legt, damit der Wirt nicht mit ihm in Berührung kommen muss, dann erhebt er sich und torkelt hinaus in die kühle Nachtluft.

 
17. Das Verhör
     
     
     
    Mäu ist am Ende ihrer Kräfte. Stundenlang

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