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Die Siechenmagd

Die Siechenmagd

Titel: Die Siechenmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Neeb
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schmerzlich. Ähnlich ergeht es ihm mit Mäu. Als er hörte, dass sie diesen widerlichen Neuhaus erschlagen hatte und anschließend aus dem Gutleuthof geflüchtet war, erfüllte ihn zunächst noch eine grimmige Genugtuung, gepaart mit einer nicht unbeträchtlichen Portion väterlichen Stolzes. Seitdem er aber von ihrer Verhaftung erfahren hat und weiß, dass man sie früher oder später der Todesstrafe überantworten wird, macht er sich ihretwegen die bittersten Vorwürfe, denn schließlich war er es ja gewesen, der Mäu aus kalter Habgier an Neuhaus verschachert hatte. Und jetzt sitzt seine Tochter nun schon fast ein Jahr lang im Brückenloch fest und darbt vor sich hin. Wenn er doch nur wüsste, wie er ihr helfen könnte! Aber er weiß es beim besten Willen nicht, wo er doch nur ein von allen verachteter Mann ist, der über keinerlei Beziehungen zu einflussreichen Leuten verfügt. Aber die Säuberungsaktion im Brückenturm wird ihm wenigstens ermöglichen, Mäu endlich einmal wiederzusehen. Unter seinem Arbeitskittel hat Edu verschiedene Lebensmittel für sie versteckt, und er kann es kaum noch abwarten, nachher in das Loch hinabzusteigen. Nachdem die Schermesser verteilt worden sind, erkundigt er sich bei den beiden Turmaufsehern etwas beklommen nach den Unsinnigen im Verlies.
    Als er daraufhin seitens der Gefängniswärter nur ausweichende Antworten erhält, die wiederum darauf abzielen, dass eine Reinigung dort unten nicht vonnöten wäre, überwindet der Abdecker schließlich seine Scheu und erklärt unumwunden, dass er durchaus bereit sei, die Insassen im Loch zu versorgen, was mit allgemeinem Spott quittiert wird.
    „Von mir aus, Schundmummel, kannst du nachher da runterklettern und dich mit den Dollen nach Herzenslust verlustieren. Kannst sie salbadern und bauchpinseln, solange du willst. Jetzt aber hilfst du uns gefälligst erst mal mit der Bagage hier oben!“, entgegnet der jüngere Wärter barsch.
    „Auf jetzt, an die Arbeit!“, gemahnt auch der Stöcker. „Der Rat hat mir übrigens den Auftrag erteilt, mich hier einmal umzugucken, wer von den Unsinnigen entlassen werden kann. Möglichst zwei Toren sollen fort, damit es in diesem behaglichen Zimmerchen wieder Platz für Neueinweisungen gibt, denn die Ratsherren befürchten, es werden bestimmt noch einige durchdrehen, jetzt wo gerade die Pest vorbei galoppiert ist“, äußert er wichtigtuerisch und nimmt sogleich die Kranken von Sinnen in Augenschein.
    „Welche von den Deppen hier sind denn noch am ehesten geeignet, wieder auf die Menschheit losgelassen zu werden?“, wendet er sich fragend an den älteren der beiden Kerkermeister.
    „Na ja, unsere langjährigsten Kunden sind das Sachsenhäuser Entchen und der ,tode Josef’. Die zwei sitzen schon seit Jahrzehnten bei uns oder im Mainzerturm, je nachdem, wo gerade Platz ist. Im Sommer tun wir sie immer in die Tollkisten, damit sie sich da wenigstens ein bisschen ihre Kost und Logis verdienen können, denn die leben ja schließlich von der öffentlichen Mildtätigkeit, haben keine Leute draußen, die für sie aufkommen tun, wie die meisten Unsinnigen hier im Turm“, entgegnet der alte Wärter und führt den Stöcker zu einem abgemagerten Greis, der starr und aufrecht in einer Mauernische sitzt. Er ist einer der wenigen Insassen, die nicht in den Stock geschlossen oder angekettet sind. Der Stöcker mustert den Alten abschätzig, veranstaltet allerlei Schabernack mit ihm und kann sich schließlich ein amüsiertes Grinsen ob seiner stoischen Ruhe nicht ganz verkneifen.
    „Den alten Josef kann in dieser verrückten Welt nichts mehr erschüttern. In besseren Tagen war er sogar ein anerkannter Gelehrter, wie mir mein Vorgänger mal erzählt hat. Der muss den Kirchenoberen nicht ganz grün gewesen sein, jedenfalls durfte er keine Vorlesungen mehr halten und auch nicht mehr weiter disputieren. Daraufhin muss er wohl in den Wahn verfallen sein und hat seitdem kein einziges Wort mehr gesprochen. Verzieht keine Miene, tut keinen Muckser, macht gar nix, als war er schon längst nicht mehr unter den Lebenden. Dabei ist er aber von harmloser Natur, wir hatten nie unsere Schaff mit ihm, da, wo du ihn hinstellst, bleibt er, wenn’s sein muss, auch bis zum Sankt Nimmerleinstag“, berichtet der Wärter und lacht gutmütig.
    „Aber aufs Betteln versteht er sich bestens, auch wenn er noch nicht einmal ,danke’ oder ,bitte’ sagen kann, der alte Schlawiner. Hat ja auch lang genug geübt, in seiner Narrenkiste an

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