Die Siechenmagd
hämmert. Nach kurzer Zeit öffnet sich ein Flügel und Gottfried tritt in seiner ganzen Stattlichkeit nach draußen, um ungehalten nach dem Rechten zu sehen. Hinter ihm reckt Neuhaus neugierig seinen Kopf. Erleichtert schlüpft Mäu an dem Schellenknecht vorbei in den Innenhof. Während Edu versucht, ihr hinterher zu eilen, um sie weiter zu attackieren, wird er vom kräftigen Arm des Schellenknechtes unversehens am Kragen gepackt.
„Halt, Schundmummel und nicht weiter! Das hier ist das ehrwürdige Spital der Guten Leut und da hat ein Racker wie du nichts zu suchen! Sei zahm, sonst geb ich dir Fersengeld und das nicht zu knapp“, knurrt Gottfried grimmig, den Abdecker am ausgestreckten Arm von sich weghaltend. Der kleine, hagere Schundmummel hat gegen den bulligen Schellenknecht keine Chance. Dennoch zappelt er unter Gottfrieds festem Griff wie ein Fisch an der Angel und versucht sich mit aller Kraft zu entwinden.
„Benimm dich, Hundshäuter, und sag mir jetzt bitte auf gesittete Art und Weise, falls du das überhaupt vermagst, was sich zugetragen hat. Maria, du gehst am besten schon in meine Räume und bringst dort alles in Ordnung. Der Boden muss heute gescheuert und gewachst werden. Fang schon mal an, dann bist du uns aus den Füßen und ich kann mit deinem Vater mal ein paar Worte wechseln“, meldet sich Neuhaus entschieden zu Wort und wendet sich Mäus Vater zu, der sich immer noch zappelnd im Würgegriff des Schellenknechts befindet.
Als Edu langsam ruhiger wird, lässt ihn Gottfried los, bleibt aber weiterhin als Wächter neben ihm und Neuhaus postiert, die sich nun zwischen Tür und Angel gegenüberstehen.
Aufgebracht berichtet der Abdecker, dass Mäu die Nacht über nicht zu Hause war. Er beklagt, dass bei seiner Tochter, seitdem sie als Siechenmagd für Neuhaus arbeiten würde, sowieso ein rechtes Lotterleben eingekehrt wäre. Sie würde kommen und gehen, wie es ihr beliebt, und auch sonst nehme sie sich viele Freiheiten. Oftmals käme sie nach Hause und würde nach Wein riechen.
„Wir können es nicht länger dulden, dass das Balg sich aufführt wie eine Metze. Wir gehören zwar zu den Verfemten und müssen hier draußen auf dem Felde kampieren, damit niemand von den Wohlangesehenen mit uns in Tuchfühlung kommt, doch verdienen wir unser Brot durch harte Arbeit, für die sich alle anderen zu fein sind. Wir sind fleißig und mühen uns ab von früh bis spät und hängen nicht am Bettelstab, wie andere, oder leben von der gemeinen Fürsorge. Auch wir haben unseren Anstand und wünschen dasselbe für unser Kind. Welcher tüchtige Abdeckerssohn nimmt denn eine solche Stromerin noch zum Weib, die nachts aushäusig ist und ein liederliches Leben führt?“, beschwert sich der Abdecker.
Neuhaus hat ihm zugehört und macht ein nachdenkliches Gesicht. Dann hebt er an, in würdevollem, gewichtigen Tonfall zu sprechen, wobei er den Abdecker seine tiefe Herablassung deutlich spüren lässt:
„Hundshäuter, du kannst von Glück sagen, dass ich bereit bin, deine Tochter in Lohn und Brot zu nehmen. Wäre ich noch ein gesunder Mann wie früher, würde ich Leute deines Standes überhaupt nur zum Reinigen meines Abtritts über meine Schwelle kommen lassen. Ich zahle der Jungfer einen mehr als angemessenen Lohn, von dem du bestimmt nicht schlecht profitierst, Schundmummel, und erweise mich auch sonst als ausgesprochen großmütig. Für deine Behauptung, das Mädel würde durch mich zu einem liederlichen Lebenswandel gebracht, müsste ich dich eigentlich vor deinen Eselskarren spannen lassen, um mir für diese freche Beleidigung Satisfaktion zu gewähren. Nur lege ich keinen Wert darauf, mir von deinesgleichen Genugtuung zu verschaffen. Aber dass deine Tochter, die im Grunde genommen eine brave, fleißige Maid ist, sich des nachts herumtreibt, will mir auch nicht gefallen. Ich denke, da müssen wir unbedingt einen Riegel vorschieben. Sie auf dem Abdeckerhof besser zu bewachen, wird deine Sorge sein. Ich aber werde in Zukunft dafür sorgen, dass sie sicher nach Hause geleitet wird, wenn ihr Dienst hier bei mir beendet ist. Sollte ich sie des Abends benötigen, werde ich dich durch einen Boten benachrichtigen lassen, damit alles seine Richtigkeit hat. Einkäufe und Botengänge, die sie für mich in der Stadt zu unternehmen hat, wird sie zukünftig ebenfalls nur noch in Begleitung tätigen. Das alles, Hundshäuter, kann ich dir zusichern. Auf eurem Grundstück aber solltest du und deine Frau unbedingt ein
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