Die Siechenmagd
er halt bei den Hübscherinnen hier ordentlich Dampf ab. Aber das kennt man ja! Ich kann dir nur raten, Kindchen, geb nur Acht bei dem und halt ihn dir auf Abstand, sonst wirst du bald noch schlimmer gegängelt, als daheim bei deinem Alten“, ereifert sich Martha bei der Erwähnung von Neuhaus’ Namen. „So, und jetzt hol ich für uns unten in der Küche eine heiße Mandelmilch und dann kommen wir auf deine Herzensangelegenheit zu sprechen.“
Während die beiden bald darauf ihre heiße Milch schlürfen, erzählt Mäu von ihrer ersten Begegnung mit dem Fuchs und wie glücklich sie sich in dieser Nacht gefühlt hat. Ihre vom Weinen geröteten Augen leuchten dabei so intensiv, dass die abgeklärte Hübscherin unversehens von tiefer Wehmut erfasst wird.
„Wie schön es dich macht“, murmelt sie mit vor Rührung belegter Stimme. „Bei mir schafft es kein Mann mehr, dass die so strahlen, meine Glotzaugen! Das ist aus und vorbei. Und das ist auch gut so. – Aber fehlen tut es mir manchmal schon und dann merk ich, wie leer und tot ich im Herzen geworden bin. Aber verdammt nochmal, ich zappel mich für keinen mehr ab! Für das bisschen Glück, das man abkriegt, wenn man einen Kerl so richtig liebt und dann, dann fällt man ins Bodenlose, wenn er genug hat und sich wieder abwendet. Und du sitzt so richtig fett im Schlamassel und denkst, das hört nie mehr auf. Aber glaub mir, mein Schatz: Es hört irgendwann auf, auch wenn’s dir jetzt so weh tut, dass du am liebsten verrecken möchtest. – Ja, ich kenn das gut.“
„Was? Dich hat schon mal jemand sitzen lassen? Das kann ich mir überhaupt nicht vorstellen, wo dich doch alle Mannsbilder immer so anhimmeln“, erwidert Mäu skeptisch.
„Auch wenn du es nicht glauben willst, es war so! Das ist schon lange her und ich hab es schon fast vergessen. Aber von Zeit zu Zeit, nicht oft, denke ich darüber nach und bin immer wieder erstaunt, wie blöd ich damals war! Aber Schluss jetzt, lass uns lieber von dir sprechen, denn schließlich steckst du ja mittendrin in der ganzen Verliebtheit.“
„Ja, und ich könnt kotzen vor lauter Verliebtheit! Und jetzt erzähl schon, was damals war. Ich hab zwar nicht viel Ahnung vom Glück, aber mit dem Missgeschick bin ich bestens vertraut und von daher kann ich dich bestimmt gut verstehn“, entgegnet Mäu fatalistisch.
„Also gut! Dann wärmen wir halt die ganze Schose nochmal auf: Vor ungefähr zehn Jahren war es. Ich war damals so in deinem Alter und als fahrende Hübscherin unterwegs. Von Stadt zu Stadt, zu sämtlichen großen Märkten und Feierlichkeiten im ganzen Land bin ich angereist, wo immer genug Freier zusammengelaufen sind. Besonders gute Geschäfte machte ich in den großen Reichsstädten, wenn dort Messen oder kirchliche Synoden abgehalten wurden. Reiche Kaufleute und auch Pfaffen waren immer auf der Suche nach frischen, jungen Huren. Auch die gelehrten Herren von den Universitäten ließen sich gerne mal auf ein Schäferstündchen ein, deswegen ließ ich auch die Universitätsbezirke der großen Städte nicht aus.
Es passierte in Mainz. Es war Frühling und ich trug einen Kopfputz von Blumen im Haar – ein Erkennungszeichen für feile Frauen. Ich schlenderte also abends durch die Gassen, in denen die Gelehrten so ihr Quartier haben, als mir plötzlich so ein schwarzhaariger junger Kerl entgegenkam. Ich blickte ihm frech in die dunklen Augen und war sofort wie elektrisiert von dem Blick, den er mir zurückwarf. Es war eindeutige Begehrlichkeit! Spontan nahm ich eine Blüte aus meinem Haar und steckte sie ihm in die schwarze Haarpracht. Er stammelte etwas auf lateinisch, das ich nicht verstand, ich erwiderte in meinen Worten irgend ein überflüssiges Zeug, das bei ihm nur Stirnrunzeln hervorrief. Doch in Wahrheit hatten wir uns längst verständigt, denn unsere Körper sprachen eine deutlichere Sprache. Wir liefen einfach nebeneinander her und ich war wie geblendet von seinem hübschen Frätzchen. Nach einiger Zeit gelangten wir zu einer Schenke, in der hauptsächlich die Herren Studenten verkehren. Wir setzten uns in eine abgelegene, dunkle Nische, tranken schweren roten Wein und aßen dazu scharfe geräucherte Würste mit Roggenbrot. Wir redeten aneinander vorbei, lachten viel und streiften uns immer wieder gegenseitig mit heißen Blicken.
Kurzum, unser Glück hielt genau fünf Wochen lang. Es war eine schöne Zeit, in der wir fast ständig zusammen waren. Ich hatte überhaupt keinen Sinn mehr für andere
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