Die Siechenmagd
werden.
Alle Anwesenden in der „Schwarzen Katz“ hören inzwischen gebannt zu, die Flugblatthändler nehmen zwischendurch einen Zug vom kühlen Bier und fahren mit ihrem Vortrag fort.
Sie berichten von einem Burgherrn aus dem Schwabenland, dem die gesamte Burganlage abgebrannt wäre. Sein Geschlecht würde sich schon seit Jahrzehnten mit einem benachbarten Grundherrn in einer Dauerfehde befinden. Die beiden Kampfhähne würden nichts auslassen, einander größtmöglichen Schaden zuzufügen. Doch die Hauptleidtragenden ihrer kriegerischen Auseinandersetzungen wären stets die Bauern und ihre Familien, deren Felder und Vieh den Verwüstungen und Brandschatzungen der sich bekriegenden Grundherrn zum Opfer fallen würde. So hätten sich die Bauern schließlich auf ihre Weise gerächt, als sie sich mit den Löscharbeiten an der brennenden Burg erheblich Zeit gelassen hätten. Warum sollten auch immer nur sie alleine die Gräueltaten der Adelsherren ausbaden?
In der Schenke wird dies mit zustimmendem Gelächter kommentiert. Die Stimmung ist gelöst, die meisten Gäste sind angetrunken.
Als die Flugblatthändler ihren Vortrag beenden und anschließend mit der Sammelbüchse an die Tische kommen, teilt ihnen Mau verlegen mit, dass sie kein Geld hat.
„Ist schon in Ordnung, Jungfer, das geht vielen Leuten so in unserer schlechten Zeit. Dafür haben andere umso reichlicher ihre Schäfchen im Trockenen. Gehabt Euch wohl und lasst Euch nicht verdrießen“, entgegnet der Mann mit der Sammelbüchse freundlich und will weiter die Runde machen, als ihn Mäu spontan zurückhält.
„Entschuldigt Herr, aber ich hätt Euch noch gerne was gefragt“, sagt sie schüchtern.
„Nur zu, Jungfer!“
„Kennt Ihr einen Flugblatthändler mit Namen Albert?“
„Ach, Ihr meint bestimmt unseren Genossen Albert von Uffstein. Ein langer, schmaler Kerl mit Sehgläsern auf der Nase.“
„Ja genau! Den hab ich im Sommer auf dem Galgenfest kennen gelernt und wir haben uns so schön unterhalten“, erläutert Mäu erfreut.
„Den hab ich schon länger nicht mehr zu sehen gekriegt, der hat sich Richtung Rheinland aufgemacht. Wer weiß, wo der steckt. Aber früher oder später wird man sich schon wieder über den Weg laufen, wie das so ist bei uns Fahrenden“, erwidert der Flugblatthändler.
„Wenn Ihr ihn das nächste Mal seht, dann grüßt ihn von der Mäu aus dem Galgenviertel!“, bittet ihn Mäu.
„Das wird gemacht, darauf könnt Ihr Euch verlassen!“, verspricht der junge Mann, hebt die Hand zum Gruß und geht mit seiner Sammelbüchse weiter zum nächsten Tisch.
Vor lauter Fuchs hab ich an den Albert gar nicht mehr gedacht, na, vielleicht treff ich ihn ja unterwegs… sinniert Mäu. Durch die angenehme Abwechslung in der Kneipe ist ihre Aufgeregtheit ziemlich geschwunden und sie merkt, dass sie allmählich die nötige Bettschwere kriegt. Sie wendet sich an die Wirtin, mit der Bitte um eine Schlafdecke. Felicitas geht die Decke holen und begleitet Mäu mit einer Laterne zum Eselsschuppen. Der zuvor so klare Nachthimmel ist nun mit dunklen Wolken überzogen, und es regnet in Strömen. Als die beiden Frauen endlich in der trockenen Hütte angelangt sind, verabschiedet sich die Wirtin von Mäu.
„Das geht nicht nur um deinen Alten, stimmt’s? Da steckt doch bestimmt noch ein Mann dahinter, das spür ich“, äußert sie spontan.
„Da liegst du richtig, Feli! Und ich will in der Früh auch gleich nach Frankfurt, um ihn abzuholen, damit wir dann zusammen auf Fahrt gehen können.“
„Da wünsch ich dir aber viel Glück, Kleine. Es ist immer richtig, wenn man seinem Herzen folgt!“, entgegnet Felicitas, umarmt Mäu herzlich und wünscht ihr eine gute Nacht.
Im Schuppen ist es sehr dunkel und man kann kaum etwas erkennen. Mäu bettet sich auf das Stroh im vorderen Teil des Verschlages, nahe der Eingangstür und rollt sich in die Wolldecke ein, denn es ist recht kühl geworden. Lediglich die ruhigen Atemzüge des Esels sind zu vernehmen und das regelmäßige Prasseln der Regentropfen auf dem Schuppendach. Nach kurzer Zeit schon schläft sie tief und fest.
Es regnet immer noch, als sich Mäu nach ein paar Stunden erquicklichem Schlaf am frühen Morgen nach Frankfurt aufmacht.
Unterwegs schmiedet sie schon Reisepläne. Am besten wird es sein, wenn sie sich in Richtung Harz davonmachen. Dort kennt sich der Fuchs gut aus, da gibt es die besten Schlupfwinkel, wie er erzählt hat, und außerdem ist es weit genug weg von hier!
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