Die Siechenmagd
Dunstkreis dieses Schinders leben, er hat kein Anrecht mehr auf dich, du unterstehst jetzt mir, als deinem Dienstherrn. Und ich kann dich hier weiß Gott gut gebrauchen. Also, lass uns jetzt anstoßen auf dein neues Zuhause und glaube mir, du wirst dich hier schnell eingewöhnen“, endet Neuhaus seine Ausführungen und erhebt den Trinkbecher. Mäu macht keinerlei Anstalten, mit ihm anzustoßen. Stattdessen fixiert sie Neuhaus mit offener Feindseligkeit und sagt ihm unumwunden ins Gesicht:
„Da habt Ihr aber die Rechnung ohne den Wirt gemacht, Herr Neuhaus. Denn ich möchte auf gar keinen Fall hier bleiben, unter all den Aussätzigen! Und ich denke, Ihr könnt mich dazu auch nicht zwingen. Was nützt Euch denn eine Siechenmagd, die gegen ihren Willen für Euch Dienst tut? Also bitte ich Euch jetzt ganz manierlich, Herr Neuhaus, gebt mich wieder frei! Ich kann auch weiterhin für Euch als aushäusige Magd arbeiten, und es bleibt alles beim Alten.“
„Es tut mir Leid, meine Liebe, aber das ist jetzt so entschiedene Sache und daran gibt es auch nichts mehr zu rütteln! Also, füge dich jetzt den neuen Umständen und hör endlich auf, mich bearbeiten zu wollen. Das zieht bei mir nicht!“, entgegnet Neuhaus pikiert.
„Aber Ihr habt doch immer gesagt, dass Ihr mir gut wollt. Da könnt Ihr mich doch nicht eingesperrt halten unter all den Siechen hier. Ist es Euch denn egal, ob ich mich anstecke und selber krank werde? – Ich bin doch noch jung, ich will nicht unter den Aussätzigen leben müssen bis ans Ende meiner Tage!“, schreit Mäu außer sich.
„Mäßige dich, Maria. Dir wird es hier sehr viel besser ergehen als bisher in deinem armseligen Leben. Sei also nicht undankbar! Es wird dir an nichts fehlen, ich werde für deine Kleidung sorgen und zahle dir weiterhin einen großzügigen Lohn, den du dir weglegen kannst für die Zeit, wenn ich einmal nicht mehr bin. Du wirst hier nicht gezüchtigt werden wie zu Hause und im Gegensatz zu uns Kranken, darfst du den Hof verlassen, um in die Stadt zum Einkaufen zu gehen. Das wirst du freilich immer in Begleitung von Gottfried tun, damit du mir nicht auf dumme Gedanken kommst. Du kannst dich mit den anderen Mägden hier auf dem Gutleuthof anfreunden, da habe ich nichts dagegen. Aber schlage dir alle anderen Flausen ein für allemal aus dem Kopf! Und glaube mir: Du kommst hier nicht raus! Sie haben es gebaut wie eine Festung. Also, finde dich in dein neues Leben, und du wirst hier sehr glücklich werden. Schau dir die anderen Mägde an: Sie sind alle kerngesund und munter. Und Gottfried ist schon seit Jahrzehnten auf dem Hof und hat sich nie angesteckt. Ich will jetzt kein Gejammere mehr von dir hören! Koste lieber von dem feinen Schinken aus dem Welschenland, lass uns Wein trinken und fröhlich sein. Eine griesgrämige Magd kann ich hier nicht gebrauchen“, endet Neuhaus resolut.
„Und später, wenn du dich gestärkt hast, schneidest du mir die Nägel an den Händen und den Füßen. Sie sind schon so lang und gebogen wie Krallen. Wir werden sie vorher einweichen müssen. Also, schaff nachher heißes Wasser herbei und einen Bottich. Bevor du das Wasser aufgießt, gibst du eine Hand voll Lavendelblüten hinein, damit es gut riecht. Anschließend kannst du dich dann an meine Leibwäsche machen, sie liegt neben meiner Schlafkoje im großen Wäschekorb. Da ist einiges liegen geblieben in den letzten Tagen, die du nicht da warst“, fügt er vorwurfsvoll hinzu.
Es ist später Nachmittag geworden, als Mäu den schweren Wäschekorb tragend die Wohnräume von Ulrich Neuhaus verlässt. In dem Waschhaus sind bereits die anderen Mägde mit der Wäsche ihrer Herrschaften beschäftigt. Die Körbe sind angefüllt mit weißen, blauen und grauen bereits gesäuberten und ausgewrungenen Kleidungsstücken.
„Was, das alles willst du jetzt noch waschen? Wir sind schon fast fertig und brauchen die Sachen nur noch aufzuhängen, hinten bei der Bleiche, und in einer Stunde müssen wir schon zum Abendessen eindecken. Das schaffst du doch nie bis dahin, wenn du nicht schludern willst. Na ja, deine Sache. Im Speisesaal solltest du aber nachher unbedingt pünktlich sein!“, richtet Hedwig streng das Wort an die Eintretende und mustert Mäu ungnädig.
„Ich schaff halt, was ich schaffen kann und was ich nicht packe, das bleibt liegen für später“, antwortet Mäu knapp. Die wichtigtuerische, säuerliche Hedwig hat ihr vorhin schon nicht besonders behagt. Sie hat keine Lust, sich von
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