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Die Siechenmagd

Die Siechenmagd

Titel: Die Siechenmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Neeb
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sich.
    „Heh’ Schundmummel, dein Esel hat eben einen fahren lassen, oder warst du das?“
    „Fort mit euch faulem Gesindel! Sonst setzt’s was mit der Peitsche. Unsereins verdient sich sein Brot redlich und war noch nie am Bettelstab wie ihr. Macht euch ab, ihr Strauchdiebe!“, schimpft der Abdecker verärgert.
    Unter den städtischen Bettlern ist es hinlänglich bekannt, wie geizig der Hundshäuter ist. Außerdem gilt er als humorloser, missmutiger Gesell, was nicht gerade dazu beiträgt, ihn zu mögen.
    Mit verbissenem Gesicht zieht Edu weiter durch die schlammigen, mit Kehricht übersäten Gassen. Aus einer Fensterluke leert eine Frau ihren Nachttopf aus. Der Inhalt ergießt sich platschend haarscharf neben den Karren.
    „Kannst du nicht aufpassen, du Trampel!“, keift der Abdecker in ihre Richtung.
    „Na, da hätt’s ja fast den Richtigen getroffen, Schundmummel“, kontert sie lachend.
    Bloß fort von hier! Edu gibt dem Esel die Peitsche und der Karren nähert sich bald wieder dem freien Feld. Als er den Gutleuthof erspäht, muss er, wie so häufig in letzter Zeit, an Mäu denken. Vor gut einem Monat hat er sie dort abgeliefert. Er erinnert sich noch gut daran. Auf dem Karren hatte sie noch die ganze Zeit geschlafen, das Kind, und als sie dann da waren, war sie auf einmal ganz verstört. Wankte über die Schwelle, wie ein Schaf, das zur Schlachtbank geführt wird. Bei dem Gedanken daran, zieht sich sein Herz jetzt noch schmerzhaft zusammen. Das arme Mädel!
    Der Friedhof der Ehrlosen befindet sich unmittelbar vor dem Gutleuthof und grenzt ans Mainufer. Um die sumpfige Gegend hier draußen ranken sich seit alters her schaurige Geschichten. Die Frankfurter glauben, dass die Geister von Selbstmördern und Hingerichteten dort umgehen. Der Schindanger wird allgemein gemieden, bei Tag und erst recht bei Nacht. Lediglich Edu geht hier seinen Geschäften nach, und der hat es sich inzwischen längst abgewöhnt, auch noch über Geistergeschichten zu spekulieren. Seine Verrichtungen auf dem Totenacker sind auch so schon wenig erbaulich. Nachdem er den Esel an den Pfahl gebunden hat, läuft er zu einem verwitterten Holzschuppen am Rande des Gräberfeldes und holt sich Schaufel und Spaten. Das ständige Regenwetter der letzten Wochen hat auch sein Gutes: Das Erdreich ist entsprechend weich und lässt sich gut aufgraben.
    Auf dem gesamten Areal befinden sich weder Holzkreuze noch Grabsteine. In der ungeweihten Erde hier draußen liegen die Gebeine von Angehörigen der unehrlichen Berufsgruppen sowie Fahrende, Hingerichtete und Selbstmörder in namenlosen Gräbern. Auch die Vorfahren des Abdeckers sind alle hier begraben. Seine drei früh verstorbenen Kinder und auch Matthias, den ältesten Sohn, hat Edu nahe den Familiengräbern eigenhändig beigesetzt. In einem Anflug von Trauer tritt er an ihre Gräber und hält ein kurzes Gebet. Noch immer vermisst er den Matthes so sehr. Er war ein tüchtiger, aufgeweckter Junge und dabei immer so guter Dinge. Mit ihm zusammen ging Edu einfach alles viel leichter von der Hand und was hatten sie dabei für einen Spaß miteinander. Selbst bei der größten Plackerei gab es bei ihnen immer was zu lachen. Er wird es nie vergessen, wie sie einmal mit dem Jauchekarren am Weißfrauenstift vorbeigefahren sind und die feinen Dämchen sich mit angewiderten Mienen die Tücher an die Nasen gedrückt haben.
    „Ei, wir ham doch heut e’ ganz fein Fuhr dabei, die Damen! Des is doch alles von euren Vettern auf dem alten Limpurg, was da so stinkt. Aber des riecht halt auch net grad nach Kölnisch Wasser, gell!“, hatte der freche Bub den pikierten Patriziertöchtern zugerufen und Edu hatte sich vor Lachen fast ins Hemd geseicht. Aber das ist jetzt alles vorbei und es gibt schon lange nichts mehr zu lachen. Ganz im Gegenteil, manchmal wünscht er sich sogar, er würde bald selber hier draußen liegen, bei seinen Kindern. Und das einzige Kind, das ihm noch geblieben ist, hat er an die Aussätzigen verschachert. Wie konnte er dem Mädel nur so was antun! Ihn graust es zuweilen vor sich selber. Ja, sie ist schon immer ein stures Aas gewesen, hat nicht richtig pariert und dann noch die Kapriolen mit diesem fahrenden Schlawiner! Und dass sie sich dann so einfach davongeschlichen hat, ausgerechnet zu der Martha, diesem liederlichen Weibsstück. Wollt lieber bei den feilen Frauen bleiben, als einen anständigen Kerl zu ehelichen! – Das alles hat ihn so wütend gemacht. So wütend, dass er dann

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