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Die Siechenmagd

Die Siechenmagd

Titel: Die Siechenmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Neeb
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ihr schikanieren zu lassen.
    „Bei uns ist es nicht üblich, dass irgendetwas liegen bleibt. Du solltest dir in Zukunft deine Arbeit so einteilen, dass das nicht vorkommt“, entgegnet Hedwig herablassend und rümpft dabei die lange, dünne Nase.
    Mäu erwidert darauf nichts mehr und macht sich sofort an die Arbeit. Als die anderen vier Mägde fertig sind und das Waschhaus grußlos verlassen, ist sie erleichtert, endlich alleine zu sein. Sie schrubbt mit der eingeseiften Bürste immer wieder über die gelblichen Flecken auf der Leibwäsche, doch sie sind hartnäckig und lassen sich kaum entfernen. Sie stammen von der Schwefelpaste, mit der Neuhaus immer seine Knoten auf der Haut bestreicht. Mäu übergießt die gelb-besudelten Wäschestücke mit kochendem Wasser und streut Alaunsalz darüber. Das Ganze soll erst mal eine Zeit einweichen, inzwischen wäscht sie die nicht ganz so verschmutzten Sachen und hängt dabei ihren Gedanken nach, die um ihre neue, desolate Situation kreisen. Morgen früh soll sie mit Gottfried in die Stadt gehen, um einzukaufen. Vielleicht ergibt sich dort die Möglichkeit, davonzulaufen. Wenn sie ihm nur erst einmal entkommen könnte, Verstecke kennt sie genug, wo sie sich verbergen kann.
    Und dann, wenn die Luft rein ist, wird sie sich auf nimmer Wiedersehen davonmachen, ganz weit weg aus der Frankfurter Gegend und dem Gutleuthof!
    Von dieser Hoffnung zehrt sie den Rest des Tages, und sie ist auch ihre Labsal in der Nacht, die sie größtenteils schlaflos auf ihrem neuen, fremden Lager zubringt.

 
10. Rabenvater
     
     
     
    Am frühen Morgen des 29. November, ein kalter Wind weht, der durchsetzt ist von Graupelschauern, zieht Edu Dunckel mit seinem klapprigen Eselskarren über die Felder in Richtung Galgenviertel. Er ist auf dem Weg zum Rabenstein, um den Gehenkten vom Galgen zu nehmen und ihn auf dem Schindanger * , welcher am Ufer des Mains in der Nähe des Gutleuthofes liegt, zu bestatten. Für das Bergen der Leichen von Selbstmördern und hingerichteten Verbrechern erhält er von der Stadt einen Gulden, der ihm von seinem Dienstvorgesetzten, dem Scharfrichter, ausgehändigt wird.
    Edu nähert sich der Hinrichtungsstätte, die ganze Zeit schon hat er den Galgen im Blick, der, anmutend wie der nach oben gestreckte Zeigefinger des Gesetzes, einen jeden daran gemahnt, vom rechten Wege nicht abzuweichen. Um diese Abschreckung noch zu verstärken, ließ man in den vergangenen Jahrhunderten die Gehenkten stets am Galgen verwittern. In neuster Zeit erst distanziert sich die Stadt von solch barbarischem Brauchtum und lässt den Hingerichteten eine ordentliche Erdbestattung zukommen.
    Rabenvögel umschwirren in schwarzen Kreisen den Galgen, ihr lautes Krähen durchdringt das Heulen des Herbststurmes. Als der Abdecker ihr Terrain betritt, werden ihre Rufe noch lauter und auch ärgerlicher. Sie wissen schon, da kommt wieder derjenige, der ihnen immer ihre Mahlzeit stiehlt. Mit schnellem Griff, ohne genauer hinzusehen, zückt der Schundmummel sein Messer und durchtrennt den Galgenstrick. Der Leichnam des Hingerichteten gleitet auf den unter ihm stehenden Leiterwagen. Edu nimmt ein großes Stück Sackleinen, deckt damit die Leiche zu und bekreuzigt sich hastig. Er blickt zur Scharfrichterei: Die Fensterläden sind noch alle geschlossen. Liegt noch auf der Bärenhaut, der Herr Henker. Gestern war ja Galgenfest, da hat er sich bestimmt wieder vollgesoffen und schläft jetzt seinen Rausch aus. Na ja, wir verbuddeln erst mal unsren Kunden und holen dann später beim Angstmann unseren Gulden ab, entscheidet der Abdecker, während er auf seinen Karren klettert und den Esel antreibt. Die Raben sind immer noch ganz aufgeregt am Schimpfen, ganz empört über ihren Verlust, der nun, zwar zugedeckt, aber auch angenagt, ganz kaltblütig seine letzte Fahrt antritt.
    Das Galgenviertel beginnt sich langsam zu rühren. Aus den Bettlerherbergen kriechen die ersten flehenden Leute. Manche humpeln, andere bewegen sich emsig, zerlumpt und abgerissen wirken sie alle. Sie ziehen in Richtung Stadt, um sich an ihren festen Bettelplätzen zu positionieren.
    „Na, Edu, haste mal ‘nen Groschen für unsereinen, wir beten auch brav für dein Seelenheil. Wird nur nicht viel nützen, denn wenn dich der Teufel am Wickel hat, zieht er dir erst mal das Fell über die Ohren, so wie du es immer mit den Hunden machst“, kreischt einer von ihnen. Die anderen lachen beifällig, feixen und geben prustende Geräusche von

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