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Die Siechenmagd

Die Siechenmagd

Titel: Die Siechenmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Neeb
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schließlich dem Neuhaus sein Wort gegeben hat. – Was er inzwischen immer mehr bereut, denn sie fehlt ihm halt, die Mäu. Ja, er war in der letzten Zeit ziemlich garstig zu dem Mädel, warum, weiß er auch nicht so genau. Aber sie liegt ihm doch am Herzen. Schließlich ist sie sein eigen Fleisch und Blut. Was will man machen!
    Um seine Traurigkeit zu verscheuchen, beginnt Edu angestrengt zu graben, bis er trotz des eisigen Herbstwindes zu schwitzen anfängt. Als er die Kuhle ausgehoben hat, wischt er sich den Schweiß von der Stirn und geht rüber zum Eselskarren. Er führt den Esel an den Rand der Grube, hebt den Leichnam des Gehenkten mit einem kraftvollen Ruck an und wirft ihn in das Erdloch.
    „Friede mit Dir!“, murmelt er und bekreuzigt sich wieder. Sogleich beginnt er damit, Erde auf den Toten zu häufen. Das geht viel schneller, als das Graben zuvor und im Nu ist die Grube gefüllt. Mit seiner Schaufel klopft er zum Schluss noch die Erde fest und trägt dann seine Utensilien zurück in den Schuppen. Der Eisregen wird immer heftiger, und er sehnt sich nach einer warmen Stube. Warum nicht eine Pause einlegen und zu Holzmaier fahren, überlegt Edu. Seine düsteren Gedanken wegen Mäu verfolgen ihn noch immer. Es wird Zeit, dass er mal mit einem vernünftigen Menschen darüber spricht. Kurzentschlossen steigt er auf den Kutschbock und lenkt den Esel in Richtung Friedberger Pforte. Dort überquert er die Holzbrücke des Stadtgrabens und wird von den Torwächtern kommentarlos durchgewunken. Sich geradeaus haltend, gelangt er nach kurzer Zeit zur Peterskirche, neben der sich der neue städtische Friedhof befindet. Das ist das Reich von „Holzmaier“ * , wie der Totengräber von allen genannt wird. Er lebt dort in einem kleinen Häuschen, das früher einmal als Kapelle diente. Als sich Edu Holzmaiers Behausung nähert, tritt ihm der Freund schon entgegen. Holzmaier ist groß und hager, trägt wie immer seinen schwarzen, kuttenartigen „Leidmantel“ und auf dem Kopf den spitzen „Klagehut“, wie es der vorgeschriebenen Tracht für Totengräber entspricht.
    Holzmaier ist in der Stadt der Einzige, zu dem er kommen kann. Der städtische Totengräber hat zwar nicht den Status der absoluten Unberührbarkeit, wie der Abdecker, in der Öffentlichkeit wird er aber ähnlich gemieden wie dieser, wenn auch aus anderen Gründen. In Frankfurt erzählt man sich, Holzmaier würde mit Geistern und Gespenstern in Kontakt stehen. Die Stadtbewohner fürchten sich vor ihm. Wenn er auf den Markt kommt, um etwas zu kaufen, weichen alle seinem Blick aus. Es heißt, er könne hellsichtig das nahende Ende eines Menschen erspüren und wem er zulächle, der wäre sein nächster Kunde. Mit dieser Furcht verbindet sich zudem noch eine Abneigung, die sich in üblen Nachreden und Verdächtigungen äußert. So wird Holzmaier unterstellt, er würde seinen Herd mit ausgegrabenem Sargholz beheizen, unter seiner Kutte trage er gestohlene Totenkleider und er mache auch gelegentlich lange Finger hinsichtlich des Schmuckes von Verstorbenen. Den Abdecker tangieren diese seltsamen Verdächtigungen wenig, er ist froh, in dem Totengräber jemanden gefunden zu haben, der sich überhaupt mit ihm abgibt und ihn einfach so nimmt, wie er ist. So hat es sich seit langem bei ihnen eingespielt, dass sie hin und wieder gemeinsam Brotzeit halten, wenn Edu in Frankfurt zu tun hat.
    „Ei, der Edu! Warst schon lange nicht mehr bei mir“, begrüßt Holzmaier den Freund.
    „Grüß dich, Holzmaier! Wir haben grad einen verscharrt und da haben wir uns gedacht, wir zwei könnten vielleicht mal wieder ein Pauschen zusammen machen“, erwidert der Abdecker mit belegter Stimme.
    „Bin am Graben, hab heut Mittag noch eine Leich. Wird ein großer Umzug geben, die Frau vom Metzgermeister Klein ist im Kindbett gestorben. Zählte erst zwanzig Jahr, des arme Mensch“, entgegnet der Gefragte. „Aber komm doch erst mal rein, Edu, eine kleine Brotzeit können wir schon machen, jetzt, wo du mal da bist“, entscheidet der Totengräber und betritt mit dem Besucher seine Wohnstatt.
    Im Holzofen prasselt ein Feuer und verbreitet eine behagliche Wärme in der kleinen Stube.
    „Setz dich hin, Edu und wärm dich erst mal ein bisschen auf“, weist Holzmaier dem Gast einen Hockerplatz am Ofen zu. „So, und es gibt sogar ein paar Würste. Die sind noch übrig vom letzten Leichenschmaus“ * , erläutert der Totengräber, während er kleine Leber- und Blutwürste aus einem

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