Die Siechenmagd
bereiten. Mal muss sie ihm die Füße waschen, dann die Nägel schneiden, oder sie soll ihn mit irgendwelchen Salben einreihen. Am schlimmsten aber sind seine Badeabende, die fürchtet sie besonders, denn das warme Bad scheint ihn ganz besonders anzustacheln. Solcherlei Gedanken gehen Mäu durch den Sinn, während sie an diesem kalten Dezemberabend den Hof überquert, um zum Wohntrakt der Männer zu gelangen. Wann werde ich denn jemals hier wieder rauskommen? , – wie oft hat sie sich diese Frage schon gestellt! Und mit Neuhaus darüber zu reden, ist wie wenn man einem Ochs ins Horn petzt. Dieser sture alte Bock! Manchmal möchte sie am liebsten mit den Fäusten auf ihn eindreschen. Er hat sie halt gekauft und tut jetzt ganz so, als wäre sie sein Eigentum, wie es sein Schmuck und seine Möbel auch sind. Der Vater wollte ihm ja sogar das Geld wieder zurückgeben und hat mit Engelszungen auf Neuhaus eingeredet, aber es hat alles nichts genutzt. Trotzdem rechnet sie das dem alten Edu hoch an, und wenn sie heutzutage an ihn denkt, dann ohne jede Verbitterung.
Als Mäu Neuhaus’ Wohnraum betritt, liegt ihr Dienstherr bereits auf dem Diwan und räkelt sich behaglich. Zahlreiche Kerzen verbreiten ein heimeliges Licht und es riecht wie immer stark nach Weihrauch. Neuhaus beauftragt sie, ihm noch Wein nachzuschenken und sich selber auch davon zu nehmen. Nachdem er einen tiefen Schluck aus seinem Becher genommen hat, entledigt er sich seines grauen Krankenkittels und fordert Mäu auf, ihm mit einer aromatischen Salbe den Rücken zu massieren, der ihn immer so schmerzen würde. Widerwillig kniet Mäu neben dem Diwan nieder und beginnt damit, das Balsam auf dem Rücken des Kranken zu verteilen. Dabei ist sie peinlichst darauf bedacht, die knotigen Geschwüre, die sich auf dem Nacken gebildet haben, auszusparen. Während sie mit kreisenden Bewegungen die Salbe einmassiert, stöhnt Neuhaus vor Wohlbehagen. Mäu verkrampft sich immer mehr in ihrer stocksteifen Haltung, die einzig darauf ausgerichtet ist, ihm bloß nicht zu nahe zu kommen. Als der Kranke sich schließlich auf den Rücken dreht und ihr befiehlt, nun auch seine Brust einzureihen, bemerkt Mäu voller Abscheu, dass sein Glied erigiert ist. Neuhaus amüsiert sich über ihr Entsetzen und fordert sie derb auf, ihn doch auch an dieser Stelle zu massieren. Mäu, der es vor lauter Ekel ganz schlecht geworden ist, springt auf und eilt zur Tür. Doch Neuhaus hat die Tür vorsorglich verriegelt und Mäu sitzt in der Klemme. Er hat sich vom Diwan erhoben und torkelt nun bedrohlich auf sie zu. Mäu schreit in ihrer Bedrängnis immer wieder laut um Hilfe, während der Betrunkene versucht, sie zu küssen und ihr in seiner Unflätigkeit den Arbeitskittel zerreißt.
Plötzlich hämmert jemand von außen heftig gegen die Tür und verlangt mit lauter Stimme nachdrücklich Einlass. Mäu erkennt sofort die Stimme der Priorin und ist unendlich erleichtert. Neuhaus ist kreidebleich geworden und erscheint mit einem Schlag ernüchtert. Hektisch zieht er sich seinen Siechenkittel über und flüstert Mäu zu, sie solle bloß den Mund halten. Sichtlich um Fassung bemüht, öffnet er sodann die Tür. Schwester Susanna, auf ihre Krücken gestützt, baut sich am Eingang auf und kreischt mit ihrer schrillen Stimme, so dass es über den ganzen Hof hallt:
„Was geht hier vor, Bruder Ulrich? Wir sind doch hier nicht im Freudenhol! Und getrunken habt Ihr auch! Mäßigt Eure lasterhaften Gewohnheiten, sonst muss ich unserem Obmann davon Meldung erstatten. Ich verwarne Euch hiermit zum letzten Mal: Noch ein Vorkommnis dieser Art, und Ihr werdet aus unserer Gemeinschaft ausgeschlossen! Dann dürft Ihr mit der Klapper in der Hand über die Lande ziehen und um Euer Brot betteln.“ An Mäu gerichtet fügt sie streng hinzu: „Und Sie schere sich auf der Stelle in das Gesindehaus, wo Sie hingehört und flicke Ihr Arbeitskleid. Auch Sie ist verwarnt und erhält dieses Jahr keine Weihnachtsration. Stattdessen schrubbt und bohnert Sie vor Heiligabend den Boden in der Kapelle ganz allein!“
Mäu nickt gehorsam und zieht sich, dem Befehl der Krankenvorsteherin nur allzu gerne folgend, umgehend in ihre Kammer zurück, unsagbar froh darüber, dem Unhold entkommen zu sein.
Am Abend des dritten Advent verlässt Mäu das Gesindegebäude und huscht verstohlen, sich ängstlich nach allen Seiten umblickend, zum Wohntrakt der Frauen. Es ist bald die zehnte Stunde und der Wind heult jämmerlich draußen auf dem
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