Die Siechenmagd
mit ihm und ist dabei so guter Dinge und von Hoffnung durchdrungen, wie schon lange nicht mehr.
12. Badewonnen
Inzwischen ist es März geworden und Ostern steht vor der Tür. Der Winter ist dieses Jahr spät eingekehrt, erst zu Neujahr hat es Eis und Schnee gegeben. Dafür hält er sich jetzt aber umso hartnäckiger. Die Karwoche hat schon begonnen, doch heute hat es wieder den ganzen Tag nur geschneit. Es ist bald drei Uhr und Mäu muss sich beeilen, den Kapellenboden fertig zu polieren. In der Fastenzeit wird täglich in der Kapelle gebetet und deswegen muss auch der Steinboden häufiger als sonst gescheuert und eingewachst werden. Beim Schrubben haben ja die anderen Mägde noch mitgeholfen, aber seit einiger Zeit hat es sich eingebürgert, dass man ihr das Wachsen des Bodens alleine überlässt. Mäu hat sich darüber nie beklagt, sie ist froh, wenn sie ihre Ruhe hat und die dummen Gänse endlich verschwinden. Mäus Herkunft, ihre kurze Dienstzugehörigkeit, aber auch ihr verschlossenes Wesen, das die Mägde für eine ihr keineswegs zustehende Arroganz halten, haben dazu beigetragen, dass sie in der komplizierten Dienstbotenhierarchie auf dem Gutleuthof ganz unten angesiedelt ist. Doch Mäu heischt nicht nach dem Wohlwollen der Kolleginnen, die Klüngelei unter ihnen, und das aufgeblasene Getue einiger Mägde gehen ihr ziemlich auf die Nerven. Sie hat ja Katharina, und zu der will sie nachher auch hin, wenn um drei für die Kranken der Fastengottesdienst beginnt. Nachdem sie mit ihrer Arbeit fertig ist, begibt sie sich nach draußen und beschließt, einen kleinen Rundgang durch den Garten zu machen, bis die Luft rein ist und sie zu Katharina kann.
Der gesamte Gutleuthof ist von einer dichten, weißen Schneedecke überzogen, die einfach nicht schmelzen will. Als Kind hat sich Mäu immer gefreut, wenn es angefangen hat zu schneien. Der schäbige Abdeckerhof wirkte durch den glitzernden, weißen Überzug wie verzaubert. Auf dem Gutleuthof aber kann ihr auch die ganze weiße Pracht keine bessere Welt mehr vorgaukeln. Sie will endlich weg von hier und es tut sich diesbezüglich überhaupt nichts. Marthas große Versprechungen, sie hier rauszuholen, scheinen immer noch im wahrsten Sinne des Wortes auf Eis zu liegen.
Wie lange denn noch! Wenn sie ihr in letzter Zeit in Frankfurt begegnet ist, hat sie Mäu immer nur vertröstet. Das wäre alles nicht so einfach und Mäu müsse halt noch Geduld haben. Während sie zwischen den verschneiten Bäumen des Obstgartens hindurchschlendert, geht ihr wieder der Fuchs durch den Sinn. Seitdem sie weiß, dass er sie nicht im Stich gelassen hat, denkt sie häufig an ihn. Erinnert sich an seinen mageren, sehnigen Jungenkörper und die einzige Liebesnacht, die ihnen vergönnt war. Wie gerne wäre sie mit ihm zusammen. Aber stattdessen ist sie hier bei diesen Scheintoten und das Leben geht an ihr vorbei, kaum dass sie mal daran geleckt hat. Allein Neuhaus sieht sie als die Quelle ihres Darbens und hasst ihn immer mehr. Manchmal beobachtet sie ihn verstohlen, wenn er sich des Nachts betrunken zu Bette begibt und wünscht sich inbrünstig, er möge nicht mehr erwachen. Ihr stellt sich förmlich der Kamm, wenn sie bloß in seiner Nähe ist, und es kostet sie viel Kraft, sich ihm gegenüber zusammenzunehmen und es nicht aus sich herausbrechen zu lassen.
Endlich schlägt die Kapellenglocke die dritte Stunde an und die Leprösen strömen von allen Seiten herbei. Mäu verbirgt sich hinter einem Baum und wartet, bis die Kranken in der Kapelle verschwunden sind, dann macht sie sich auf den Weg zu Katharina. Glücklicherweise braucht sie sich wegen dem Schellenknecht diesbezüglich keine Sorgen mehr zu machen. Seit seinem nächtlichen Übergriff in der Vorweihnachtszeit lässt er Mäu stillschweigend gewähren, wenn sie sich mit der Freundin trifft. Er hat sie seither auch nicht wieder bedrängt, wahrscheinlich aus Angst vor Neuhaus.
Katharina erwartet die Freundin schon, und die beiden Frauen unterhalten sich über ihre alltäglichen Sorgen und Nöte, die das Leben auf dem Gutleuthof für sie mit sich bringt.
„Momentan gibt es hier ja nur noch ein Thema: der Ausgangstag!“, bemerkt Katharina zynisch und rollt mit den Augen.
„Das stimmt, der Neuhaus spricht auch ständig davon und kann es gar nicht mehr abwarten, bis endlich Karfreitag ist.“
„Soll sie nur abhauen, die ganze Bagage, und am besten gar nicht mehr zurückkommen“, schimpft Katharina.
„Abhauen und
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