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Die Siechenmagd

Die Siechenmagd

Titel: Die Siechenmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Neeb
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Maid. Und zur allgemeinen Erbauung sangen die Bademägde schlüpfrige Lieder.“ Um dies zu untermalen, beginnt Neuhaus nun mit krähender Stimme eine Gesangeseinlage zum Besten zu geben:
     
    „Ich bin gen Baden zogen
    Zu löschen ab mein Brunst;
    So find ich mich betrogen,
    denn es ist gar umsunst
    Ich kann das Feur nicht dämmen,
    das mir mein Herz tut brennen.
     
    Ich tu mich vielmals waschen
    Mit Wasser kalt und heiß
    Und kann doch nichts erlöschen
    Ja keinen Rat ich weiß
    Ich kann das Feur nicht dämmen,
    das mir das Herz tut brennen.
     
    An solchem meinem Schaden
    Kein Lindrung ich empfind;
    Je öfter ich tu baden,
    Je mehr ich mich entzünd.
    Ich kann das Feu’r nicht dämmen,
    das mir das Herz tut brennen.“ *
     
    „Sag mal, willst du dich nicht zu mir gesellen? Komm doch rein, das Wasser ist herrlich warm!“, ruft Neuhaus übermütig, nachdem er seinen Gesang beendet hat, und lädt Mäu mit offenen Armen zu sich in die Wanne ein.
    Mäu erstarrt augenblicklich und drückt sich fester an die kalte Steinwand, an die sie sich während seiner Darbietung gelehnt hat. Als Neuhaus jedoch weiter insistiert und dabei immer unflätiger wird, strafft sich ihre Haltung, und sie geht entschlossenen Schrittes auf die Tür zu.
    „Halt, bleib hier, du blöde Kuh, und schenk mir gefälligst noch mal Wein nach, wenn du schon für sonst nichts taugst! Und dann kannst du verschwinden, denn so eine zimperliche, sauertöpfische Jungfer wie dich kann ich hier weiß Gott nicht gebrauchen. Da vergeht es einem ja!“, brüllt ihr Neuhaus wütend hinterher.
    Mäu besinnt sich und macht kehrt. Dass Neuhaus von dem mit Theriak präparierten Wein trinkt, ist ja schließlich Teil ihres Planes. Sie eilt zum Wandbord, ergreift den schweren Zinnkrug mit beiden Händen und tritt zögernd an den Badezuber. Als sie Neuhaus’ Trinkbecher auffüllen will, kreischt dieser wüst:
    „Komm jetzt endlich her, du Missgeburt!“
    Ehe sie sich versieht, packt er sie am Arm und zerrt sie mit aller Kraft Hals über Kopf zu sich in den Holzbottich. Noch im Fallen hält Mäu den schweren Krug in der Hand und schlägt damit, außer sich vor Wut und Abscheu, immer wieder auf Neuhaus ein – auch noch, als sich ihr Dienstherr schon längst nicht mehr rührt und leblos im Badezuber zusammengesunken ist.
    Zitternd vor wilder Panik klettert Mäu aus dem blutroten Wasser. Überall sind Blutspritzer. Auf Neuhaus’ Stirn klafft eine tiefe Wunde, sein blutüberströmter Kopf hängt schlaff über den Wannenrand. Noch ganz unter Schock stehend, beugt sie sich taumelnd über ihren Dienstherrn, um festzustellen, ob er noch lebt. Doch Neuhaus ist eindeutig tot. Kein Atemzug kommt mehr aus seinem weit geöffneten Mund, und die geröteten Augen starren gebrochen ins Leere. Es gibt keinen Zweifel, sie hat ihn erschlagen. Man wird sie dafür ersäufen oder lebendig begraben * . Mäu übergibt sich neben dem Badezuber in nicht enden wollenden Krämpfen.
    Erfasst von blankem Entsetzen über ihre schreckliche Tat, steht sie schon im Begriff, schreiend davonzulaufen, als eine innere Stimme sie gemahnt, Ruhe zu bewahren. Sie ist mit einem Mal durchdrungen von kaltem Hass gegen den Toten. Der elende Schuft hat mir doch die Hölle auf Erden bereitet , er hat es nicht anders verdient! Mach jetzt bloß keinen Fehler!
    Immer noch am ganzen Körper bebend, erhebt sich Mäu und wankt auf wackeligen Beinen zum kleinen Fenster neben der Tür. Mit angehaltenem Atem späht sie nach draußen. Der verschneite Hof liegt in tiefer Nachtruhe vor ihr. Kein Laut ist zu vernehmen und niemand ist zu sehen. Alles wirkt dunkel und still. Am liebsten würde sie jetzt zu Katharina flüchten, doch das kann sie nicht. Es würde nur für Aufruhr sorgen, und sie will die Freundin nicht in diesen Schlamassel mit reinziehen.
    Lautlos und vorsichtig beginnt sie, das Badehaus in Ordnung zu bringen. Wischt alle Blutspuren auf, reinigt den blutigen Zinnkrug, kehrt die feuchten Blüten zusammen. Als sie fertig ist, überprüft sie noch einmal alles, packt die Reste von Wein und Speisen zusammen mit Neuhaus’ Kleidung in einen Korb. Dann nimmt sie ihren ganzen Mut zusammen und nähert sich dem Badezuber mit dem Leichnam ihres Dienstherrn. Mit beiden Händen drückt sie den schweren Kopf des Toten vom Wannenrand ins Wasser. Ein kurzes glucksendes Geräusch, dann taucht der ganze Körper unter. Mäu holt das große Holzbrett, das über die gesäuberten Zuber gelegt wird und deckt den Bottich damit ab.

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