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Die Signatur des Mörders - Roman

Titel: Die Signatur des Mörders - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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mich das nicht. Ehrlich gesagt, warst du vorhin kurz davor zu ersticken.«
    »Normalerweise habe ich mein Spray dabei. Ich weiß auch nicht, warum ich es heute vergessen habe. Aber es hört sich schlimmer an, als es ist«, erklärte der Junge heiser. Er räusperte sich und fasste sich an den Hals. »Meine Stimme. Ich warte auf etwas zu trinken.«
    »Soll ich dir …?«
    »Nein. Ihr Kollege ist schon unterwegs.«
    »Kollege?«, fragte Ron stirnrunzelnd.
    Der Blick des Jungen glitt zur Tür, wo nun Kevin Wagner das Krankenzimmer betrat. Er hielt in der einen Hand einen Kaffeebecher, in der anderen eine Flasche Wasser, die er David reichte. Der Junge nahm sie entgegen, machte aber keine Anstalten zu trinken. Er wirkte unentschlossen und spürte offenbar die angespannte Atmosphäre, die plötzlich im Zimmer herrschte.
    »Niemand hat Ihnen Anweisung gegeben, ins Krankenhaus zu fahren. Ihr Platz ist am Tatort!«, fuhr Ron ihn an.
    »David … ich habe ihm versprochen, dass ich zu ihm komme, sobald ich kann.«
    Er log.
    »Ich glaube«, sagte Myriam scharf, »Sie kennen die Spielregeln einer Ermittlung nicht.«
    Er beachtete sie nicht. Respektierte nicht, wen er vor sich hatte.
    »Haben Sie wenigstens Davids Eltern benachrichtigt?«, fragte Henri.
    Wagner zuckte die Schultern: »Sie sind nicht da. Nur ein Student, der in demselben Haus wohnt. Er bringt David einige Sachen vorbei.«
    »Was machen Sie dann noch hier? Sie fahren augenblicklich zurück zum Tatort!«, herrschte Ron ihn an. »Nehmen Sie sich einen der Polizeibeamten vor Ort und beginnen Sie mit der Befragung der Nachbarn. Jemand muss ihre Aussagen aufnehmen. Ich möchte am Montag acht Uhr schriftliche Protokolle auf meinem Schreibtisch sehen. Gibt es irgendeinen wichtigen Zeugen, melden Sie sich sofort.«
    Wagner zuckte die Schultern. »Ich dachte, der Junge wäre unser wichtigster Zeuge.«
    »Für meinen Geschmack denken Sie zu viel«, unterbrach ihn Ron scharf, während er den einzigen Stuhl im Zimmer heranzog, Platz nahm und sich David zuwandte. »Können wir dir jetzt einige Fragen stellen? Je eher wir eine Spur des Täters finden, desto schneller …«
    Davids Blick flog von einem zum andern. Die Diskussion schien ihn zu verwirren, und es wurde Zeit, sie zu beenden. Myriam wollte sich bereits einmischen, als David schnell einwarf: »Schon gut, ich weiß schon. Umso schneller kriegen Sie den Kerl, oder?«
    Wagner stand unschlüssig da und warf schließlich Henri einen Hilfe suchenden Blick zu, den Henri ignorierte.
    »Wissen Sie immer noch nicht, was Sie zu tun haben?«, fuhr Myriam ihn an.
    Der Blick, der sie traf, hätte genauso gut ein Blitz sein können. Wagner stellte die Getränke geräuschvoll auf dem Nachttisch ab, bevor er endlich den Raum verließ.
    Myriam war gleichgültig, ob er ihre letzten Worte hörte: »Ihr solltet ihn loswerden, so schnell es geht.«
    Dann wandte sie ihre Aufmerksamkeit wieder dem Jungen zu: »Darf ich mich zu dir setzen?«
    Er nickte.
    »Woher kanntest du Helena Baarova?«
    »Helenas Mutter war mit meiner Mutter befreundet. Früher. In Prag.«
    Henri trat näher. »Seit wann lebst du in Frankfurt?«
    »Seit ungefähr einem Jahr. Als... als meine Mutter starb, bin ich zu meinem Vater gezogen.« Er schwieg einige Sekunden, um dann hinzuzufügen: »Meine Eltern lebten getrennt.« Über das Gesicht des Jungen zog ein Schatten. Es wirkte plötzlich angespannt.
    Eben, dachte Myriam. Darauf lief es doch hinaus. Auf Trennung, Scheidung. Kinder schafften Abhängigkeit. Sie machten verletzlich für das Leben. Jetzt, wo man es geschafft hatte, unabhängig zu sein, unverwundbar. Und es würde sich nie ändern, von dem Moment an, in dem der Arzt sie dir auf die Brust legt, bis zu dem Moment an, wenn du stirbst. Wer tut sich das freiwillig an? Dafür brauchte man eine masochistische Neigung.
    »Dein Deutsch ist gut«, nickte Henri anerkennend, anschließend sagte er einige Worte auf Tschechisch.
    Der Junge lächelte verlegen.
    »Ich nehme an, du gehst noch zur Schule?«
    »Ja«, nickte er, »auf die International School in Frankfurt.«
    »Eine gute Schule.« Myriam nickte anerkennend und, dachte sie, nicht gerade billig. »Weißt du schon, was du danach machen willst?«
    Sein Gesicht nahm einen konzentrierten Ausdruck an. Er wusste offenbar genau, was er wollte, es fiel ihm lediglich schwer, seinen Wunsch vor den Erwachsenen zu äußern.
    »Vielleicht gehe ich zur Polizei«, erwiderte er.
    »Dann werden wir Kollegen«, lächelte Henri,

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