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Die Signatur des Mörders - Roman

Titel: Die Signatur des Mörders - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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Diesen Geruch nach vergammeltem Fisch und Katzenpisse. Sie begann zu zittern. Vor Wut, vor Erschöpfung und nicht zuletzt aus Angst.
    »Bist du noch dran?«, hörte sie Henri rufen. »Ich habe gefragt, wer jetzt zuständig ist.«
    »Kellermann«, erwiderte sie tonlos.
    »Okay.«
    »Ich hole heute Abend meine Sachen«, sagte Myriam leise. »Stell sie bitte einfach vor die Tür.«
    »Es ist deine Entscheidung«, gab Henri zurück.
    »Genau.« Sie drückte die rote Taste.
    Ein Kapitel in ihrem Leben war beendet.
    Wieder einmal blieb sie allein zurück.
    Mit einem Gefühl der Demütigung und der Wut riss sie die Tür zum Sekretariat auf. »Die Akte zu Helena Baarova?«
    »Die wurde abgeholt und Kellermann gebracht«, erwiderte Cordula.
    Hillmer hatte keine Zeit verloren.
    Myriam wandte sich um. Der mitleidige Blick billiger Schreibkräfte war das Letzte, was sie jetzt brauchen konnte.

Prag, Beneditskagasse
    Freitag, 4. Mai
    Ein Hungerkünstler Ein Entwurf (IV 1922)
    Der Richter erschrak ob des bleichen Gesichts des Hungerkünstlers, der mächtig hervortretenden Rippen und dieses verdunkelten Blicks, der aus den Tiefen seines Innersten emporzublicken schien.
    In den letzten Jahren war das Interesse an Hungerkünstlern stark zurückgegangen. Dennoch, in diesen gebrochenen Augen lag der feste, stolze Wille, daß der Hungerkünstler weiter hungern würde.
    Der Richter reichte ihm die Hand, ohne sich anmerken zu lassen, daß die Schwäche seiner Knochenfinger ihn erschütterte. Andererseits wußte er: Diese Schwäche war Täuschung. Hinter ihr verbarg sich ungeheure Kraft.
    Seine Aufgabe war es nun, dem Verurteilten zu helfen, über sich hinauszugehen. Damit sein innerster Wille die Vollendung erfuhr, nach der dieser sich sehnte.
    Der Schlag der Uhr riß ihn aus diesem Gefühl und zeigte ihm an, daß es Zeit war zu handeln.
    »Ich bin hier, um dir zu helfen«, sagte der Richter und glaubte Erleichterung über die eingefallenenWangen seines Gegenübers huschen zu sehen.
    »Warum?«
    »Es ist eine Aufgabe, die ich mir selbst gestellt habe.«
    »Welche Aufgabe?«
    »Ich helfe dir, indem ich über dich wache.« Dann ging er voraus, während der andere ihm folgte, und bevor er das Zimmer betrat, sagte er über die Schulter gewandt: »Es wird das Leichteste von der Welt sein, glaube es mir. Es sieht nur schwer aus, und du weißt es.«
    Er deutete auf den kalten Boden in der Ecke des Zimmers: »Hier.«
    »Warum tust du das?«
    Der Richter antwortete nicht. Statt dessen reichte er ihm lächelnd das winzige GläschenWasser. Der andere, froh über seine Hilfe, sank müde nieder, erleichtert, nicht alleine zu sein.Vor Dankbarkeit, daß jemand ihm Glauben schenkte, traten Tränen in seine Augen. Dann fiel er in einen ohnmachtsähnlichen Halbschlaf, während der Richter mit der Vollstreckung seines Urteils begann.
    Er hörte nicht auf den Schlag der Uhr.
    Er achtete nicht darauf, wie der Mond hinter dem Morgengrauen verschwand und das Licht des Tages denWeg in die Ecke des Zimmers fand, in dem der andere schlief.
    Der Richter beobachtete, wie die Kraft des Hungerkünstlers schwand, wie der Körper schwächer wurde, wie die Knochen noch weiter hervortraten, wie das Gerippe sich durch die dünne Schicht der bleichen Haut bohrte, um alleine übrig zu bleiben. Kurz: Er sah das Leben weichen.
    Nichts konnte den Hungerkünstler retten. Doch dieser wollte es auch nicht.
    Endlich würde er zur Ruhe kommen und nichts vermissen. Dafür hatte der Richter gesorgt, und er war beruhigt darüber, das Richtige zu tun.
    Niemand sah zu.
    Der Richter wachte darüber. Es war wichtig, unbeobachtet aus derWelt zu gehen. Das Sterben war eine Kunst, die imVerborgenen stattfand. Es war kein Abschied von uns selbst, nur von den anderen.
    Wer dies nicht fühlt, dem kann man es nicht begreiflich machen.
    Der Richter träumte: Es vergingen viele Tage, aber auch diese nahmen ein Ende. Einmal fiel jemandem auf, daß der andere fehlte. Man begann nach ihm zu suchen und fand ihn in der Ecke liegen. Ein zusammengekrümmtes Gerippe, dessen Gebeine verstreut auf dem Boden lagen. Ein Stapel Knochen wie Brennholz.
    Der Richter hoffte, dies würde bald geschehen. Die ganzeWelt sollte sehen, wie der andere gelitten hatte, und ihn bewundern. Sie würden vor dem, was von ihm übrig war, lange stehen, ja sie würden sich gar nicht fortrühren wollen.
    Sie würden weinen, ohne zu wissen, warum.
    Dazu verurteilte der Richter die Lebenden.
    Denn das Leben ist die Strafe, nicht der

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