Die Signatur des Mörders - Roman
nicht, dass der Tod ansteckend ist.«
Wieder dieses Lachen, und Justin hatte aus dem einfachen Grund eingestimmt, dass er nicht länger im Hotel übernachten wollte.
Die Wohnung war genau das, was er brauchte. Ein Raum, in dem er sich verbarrikadieren, nach seinem eigenen Rhythmus leben konnte. Diese Mauern bedeuteten Sicherheit und die Isolation, die er benötigte, um zur Ruhe zu kommen. Niemand von seinen Nachbarn würde sich für ihn interessieren. Er konnte endlich beginnen zu schreiben. Milan hatte immer gesagt, er habe das Zeug dazu.
Sie hatten nebeneinander im Bett gelegen. Sein Kopf auf Milans Schulter, während dieser davon sprach, dass beim Schreiben nicht die Fähigkeit wichtig sei, die richtigen Worte zu finden, sondern etwas anderes. Man brauchte eine Form des inneren Wahnsinns, den er, Justin, in sich habe.
Ja, er spüre bei ihm diese Art von Dunkelheit der Gedanken, wie sie große Dichter benötigten.
Solange er bei Milan gewohnt hatte, hatte er keine Zeile geschrieben. Doch nun schien der richtige Zeitpunkt gekommen.
Die Tür zum Fahrstuhl öffnete sich zum zweiten Mal. Ein junger Mann, nicht älter als achtzehn, vielleicht arabischer Herkunft, trat heraus. Während sich ihre Blicke trafen, überfiel Justin das bekannte Kribbeln. Sein Herz schlug aufgeregt. Bis der junge Mann zur Seite blickte. Er hatte sich getäuscht. Für einen Moment geglaubt, sie hätten einander erkannt.
Justin hob einen der Kartons in den Aufzug. Sein ganzer Besitz bestand aus zwei Kisten sowie einem Wanderrucksack. Mehr besaß er nicht. Milan hatte ihn darum beneidet, denn wirklich frei sei man nur, wenn man nichts besaß. Weder Dinge noch Menschen, die an einem klebten, die ständig Forderungen an einen stellten.
In diesem Moment aber, als Justin mit dem Fuß die zweite Kiste in den Aufzug schob, fühlte er sich einfach nur beschissen. Absolut am Arsch. Das war das Gefühl, wenn man nichts besaß.
Endlich gelang es ihm, das Gepäck mühsam in den Lift zu schieben. Nun wartete er, dass die Türen sich schlossen und der Aufzug langsam in die Höhe fuhr.
Da er seit zwei Tagen nichts gegessen hatte, befand er sich in einem Zustand, der einem Delirium gleichkam. So ging es nicht weiter. Er musste die Energie aufbringen und sein Leben wieder in den Griff bekommen.
Milans Geld in seinem Rucksack. Das nagte an ihm.Warum hatte er es - nicht besser als eine Nutte - behalten? Als der Aufzug hielt, fiel es Justin erneut schwer, die Tür aufzuhalten, um die Kisten auf den Flur zu zerren. Er geriet ins Schwitzen. Als er endlich die Tür der Wohnung hinter sich schloss, war er völlig erschöpft.
Im Badezimmer öffnete er den Wasserhahn und begann schnell und gierig zu trinken. Bis er das Gefühl hatte, wenigstens etwas im Magen zu haben. Anschließend ging er ins Schlafzimmer, um sich dort auf dem Teppichboden auszustrecken.
Er musste etwas essen, sonst klappte er zusammen. Mühsam fischte Justin zehn Euro aus der Hosentasche. Genügend, um irgendwo etwas zu essen zu bekommen. Er erinnerte sich, in der nahegelegenen Einkaufspassage ein griechisches Restaurant gesehen zu haben.
Er musste kurz eingeschlafen sein. Erschreckt fuhr er hoch. Jemand klingelte an der Tür.
Niemand wusste, wo er wohnte. Er hatte seine Adresse nirgends hinterlassen. Er wollte nicht gefunden werden.
Zitternd vor Hunger und Erschöpfung erhob er sich. Es konnte nur einer der Nachbarn sein. Oder der junge Mann von vorhin?
Durch den Türspäher konnte er nichts erkennen. Als er öffnete, war er erstaunt, ihn zu sehen.
»Was willst du?«
Sein unerwarteter Gast hob lächelnd zwei Pizzakartons hoch. In der anderen Hand hielt er eine Flasche Wein. »Oder meinst du, ich lasse dich im Stich?«
Justin spürte, wie hungrig er war. »Komm herein.«
Der andere schob sich an ihm vorbei und sah sich neugierig um. »Soll ich dir eine Matratze besorgen?«
»Ich komme schon zurecht.«
»Bist du sicher?«
»It’s okay.«
Nachdem sein Gegenüber den Wein auf dem Fensterbrett abgestellt hatte, zog er einen Korkenzieher aus seinem Rucksack. »Ich nehme an, du hast keine Gläser.«
»Nein.«
»Kein Problem, ich habe an alles gedacht.« Er zog zwei Weingläser hervor.
Justin beobachtete ihn nervös. »Warum bist du hier?«
»Um mit dir zu sprechen.«
»Worüber?«
»Über Helena und über Paul. Aber lass uns erst einen Schluck trinken. Dann redet es sich leichter.«
Er goss ein.
Justin nahm das Glas entgegen. »Worauf trinken wir?«
Sein unerwarteter
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