Die Signatur des Mörders - Roman
schon wieder alles durcheinander.«
»Es ist scheißegal, wie lange das mein Fall ist, aber ich bleibe dabei: Ich glaube erst, dass Milan Hus der Täter ist, wenn du es mir beweisen kannst.«
24
Jess beschloss, zu Fuß zum Gericht zu gehen. Ein warmer Wind wehte, und als die Straßenbahn direkt an ihr vorbeiratterte, flog ihr der Staub der Straße ins Gesicht, sodass sie einen Hustenanfall bekam. Sie würde erneut duschen müssen, bevor sie, wie sie es nannte, ihren Dienst antrat. Sie hatte immer wieder versucht, ihr Leben zu ändern, es jedoch nicht geschafft. Der Verdienst war besser, als wenn sie putzen ginge. Sie brauchte das Geld, um die Schulden ihres geschiedenen Mannes zu bezahlen, für den sie irgendwann gebürgt hatte und der heute noch ab und zu aus dem Nichts auftauchte, um sie anzupumpen. Außerdem verging ein verdammtes Jahr nach dem anderen. Sie sagte sich immer wieder, dass sie es sowieso nicht mehr lange machen könnte. Irgendwann müsste sie sich selbst ausmustern.
Schon von Weitem sah sie die Menschen aus dem Gebäude strömen. Dienstschluss. Halb fünf. Hoffentlich war sie nicht zu spät. Unschlüssig stand sie vor dem Eingangsportal.
Sie hatte lange überlegt, was sie tun sollte. Wem würde es nutzen, wenn sie jetzt erzählte, was sie wusste? Niemandem! Schon gar nicht Helena, auf die es einzig und alleine ankam. Nur empfand sie in ihrem Innern dieses Gefühl von Schuld. Winzige Nadelstiche, die ihr keine Ruhe ließen. Doch hätte sie Helenas Tod verhindern können? Nichts hatte darauf hingewiesen, dass sie sterben sollte.
Die Luft war trocken und stickig. Nachdem Jess den Rock gerade gezogen hatte, prüfte sie, ob sie unter den Achseln nach Schweiß roch. Der Bund der schwarzen Feinstrümpfe klebte an ihren Oberschenkeln wie Tesafilm. Mit Sicherheit hatte sie am Abend wieder einen Ausschlag. Sie fühlte schon jetzt das vertraute Jucken. Sie sollte die Sache hinter sich bringen.
Der Portier reagierte nicht, als sie ihn durch das Fenster ansprach. Er hing im Stuhl, das Telefon am Ohr, und obwohl er in ihre Richtung schaute, rührte er sich nicht.
Chronische Beamtenstarre, dachte Jess. Lebenslang. Ungeduldig klopfte sie an die Scheibe. Sie wollten etwas von ihr, nicht umgekehrt.
Er rührte sich nicht. Lediglich sein müder Blick traf sie.
Okay, dann eben nicht. Sie wandte sich um und lief zielstrebig Richtung Treppe. Irgendwie würde sie schon herausfinden, wo sie die Staatsanwältin finden konnte.
»He«, hörte sie schließlich den Portier hinter sich rufen. »Sie können doch nicht einfach …«
Er hatte seine Chance gehabt. Sie verzichtete auf seine Hilfe. Ihre hohen Schuhe klapperten auf dem Steinboden, während sie die Stufen nach oben eilte, bis sie am nächsten Treppenabsatz aufgehalten wurde: »Was wollen Sie denn hier?«
Es handelte sich um einen der beiden Kriminalbeamten, mit denen sie gesprochen hatte, genauer gesagt, um den großen Blonden. In den Jahren hatte sie sich daran gewöhnt, die Namen von Männern zu vergessen, da diese bedeutungslos für sie waren.
»Ich habe einen Termin.«
Sie wollte unter vier Augen mit der Staatsanwältin sprechen.
»Einen Termin? Mit wem?«
Er musterte sie misstrauisch, doch gehörte er offensichtlich nicht zu den Kontrollfreaks. Das bewies die Tatsache, dass er sein Hemd nicht in die Hose steckte. Mit Sicherheit ahnte er, zu wem sie wollte, doch im nächsten Moment spielte sein Handy eine Melodie, die ihr bekannt vorkam.
»Okay«, grinste sie süffisant. »I can get no satisfaction. Komm einfach mal vorbei. Meine Arbeitszeit beginnt, wenn eure endet.«
Offenbar hatte er sie nicht gehört, denn er war bereits mitten in einem Gespräch, in dem es um einen Überfall in der U-Bahn ging.
Da das Büro der Staatsanwältin am hintersten Ende eines langen Flurs lag, erfreute sich diese vermutlich nicht gerade großer Beliebtheit. Das war wie in Jess’ Job. Greenhorns stellten sich hinten an.
Als sie gerade klopfen wollte, wurde die Tür bereits aufgerissen, und die Staatsanwältin stand vor ihr.
»Hilfe«, sagte Jess. »Tun Sie mir nichts.«
Die Frau vor ihr starrte sie ungläubig an. »Wollen Sie zu mir?«
»Sie waren doch ganz heiß darauf, mich zu sprechen, oder?« Jess ärgerte sich über ihren Tonfall. Es ging hier schließlich um etwas Wichtiges. Es war nicht der richtige Zeitpunkt für lockere Sprüche. Sie war der Wahrheit wegen hier.
Eine Weile standen sie einander gegenüber und musterten sich misstrauisch. Jess
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