Die Silberdistel (German Edition)
nun zum Herzog hinübergebeugt und blickte ihm eindringlich ins Gesicht.
»Was es das Land angeht, mit wem Ihr des Nachts liegt? Nun, vielleicht geht es das Land nichts an … Aber fragt doch einmal Herzogin Sabina! Oder fragt Ludwig, den Herzog von Bayern, ob er es gerne sieht, wie Ihr seine Schwester vor dem ganzen Land zum Narren haltet!«
Mir fiel das Pfingstfest auf der Burg droben ein, wo ich die feine Gesellschaft hatte beobachten können. Hatte Herzog Ulrich nicht damals schon dieser eitlen Jungfrau schöne Augen gemacht, und das, obwohl sie in Begleitung ihres fettleibigen Vaters erschienen war? Wahrscheinlich handelte es sich just um dieses Weib. Die beiden hatten sich doch gegenseitig regelrecht mit den Augen verschlungen. Die arme Herzogin!
»Schon gut, schon gut! Wochenlang ist mir Lamparter damit in den Ohren gelegen! Was blieb mir letzten Endes übrig, als einer Heirat zwischen Euch und Ursula zuzustimmen?«
»Das hört sich für meine Ohren fast so an, als wolltet Ihrmir meine Heirat zum Vorwurf machen. Dabei ist es wahrlich keine Freude, mit einem Frauenzimmer verheiratet zu sein, das einen andern im Kopfe hat, das kann ich Euch versichern!« Während Hutten sprach, fiel ein dunkler Schatten über sein blasses Gesicht. Sehr glücklich sah er wirklich nicht aus, dachte ich bei mir.
»Wenn dies so ist, dann fleh’ ich Euch an, verehrter Freund: Laßt mich weiterhin mit Ursula liegen! Wenn sie Euch nicht liebt, wäre es doch Euer Schaden nicht. Und auch sonst soll es nicht Euer Schaden sein …« Flehentlich ergriff der Herzog Huttens beide Hände und bettelte diesen inbrünstig an.
Ich glaubte meinen Ohren nicht zu trauen!
»Tut mir leid, verehrter Herzog. Mag ich auch Euer untertänigster Untertan sein, der nur zu gerne sein Leben für das Eure gäbe – diesen Wunsch kann ich Euch nicht erfüllen. Denn wie soll mein Weib mich jemals lieben, wenn Ihr weiterhin Euer Spiel mit ihr treibt? Und außerdem: Wollt Ihr nun nicht nur Sabina und ganz Bayern, sondern auch mich als Hofnarren vorführen?«
Im Stillen applaudierte ich Hutten zu. Die Feststellung, daß es am herzöglichen Hofe zumindest einen Edelmann gab, hatte etwas Tröstliches für mich. Dafür verhielt sich der Herzog nun wie ein trotziges Kind, dessen liebster Stallhase im Kochtopf gelandet war. Mit einem groben Schwung riß er die Zügel seines Rosses nach rechts, so daß der Gaul auf dem eisigen Boden fast das Gleichgewicht verlor.
»Daß Ihr mir in dieser Herzensangelegenheit in den Rücken fallt, werde ich nie vergessen, Hans von Hutten! Dafür werdet Ihr büßen!«
Mit einem kräftigen Sporenstreich trieb er sein Roß zu einem schnellen Galopp an und war sogleich zwischen den Bäumen verschwunden. Langsam wendete auch Hutten sein Pferd und ritt hinterher.
Endlich konnte ich mich aus meinem Versteck befreien. Daß mein Marsch durch den Wald eine solch aufregendeWende nehmen sollte, damit hätte ich nicht im Traum gerechnet! Statt behutsam von Baum zu Baum zu gehen, schabte ich eilig und mit einem schlechten Gewissen große Stücke Rinde von drei nebeneinanderliegenden Bäumen ab. Ich konnte es kaum erwarten, heimzugehen. Das Gehörte spukte wie ein kleiner, hartnäckiger Geist in meinem Kopf herum und ließ mich an nichts anderes mehr denken.
»Und du bist dir wirklich sicher, daß es sich bei den Reitern um den Herzog und diesen Hutten gehandelt hat?«
»Ganz sicher bin ich mir! Ich war doch nur wenige Schritte von den beiden entfernt«, wiederholte ich zum nunmehr dritten Male auf Weilands Frage. Er hatte wie so oft unsere Hütte für eine kurze Rast betreten. Nachdem er seine Empörung über das unsittliche Anliegen des Herzogs laut kundgetan hatte, blieb er lange Zeit schweigend sitzen und rieb sich grüblerisch das Kinn.
Auch mich ließ das, was ich im Wald gehört und beobachtet hatte, nicht mehr los. Aus einem unerklärlichen Grund hatte ich das Gefühl, als hätte der Vorfall eine tiefere Bedeutung für uns, ja, als würde er unser Leben verändern. Doch wie sollte dies möglich sein?
Nachdem Asa zu einem Krankenbesuch gegangen war, schenkte ich Weiland einen Becher heißen Pfefferminztee nach. Daß ich den Pfarrer ganz für mich allein hatte, wollte ich dazu nutzen, ihm in einer völlig anderen Angelegenheit eine Zusage abzuringen. Eigentlich stand mir der Sinn nicht nach weiteren Fragen und Antworten, doch wollte ich eine so gute Gelegenheit nicht verstreichen lassen.
»Pfarrer Weiland, glaubt Ihr nicht auch,
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