Die Silberdistel (German Edition)
daß die Menschen etwas Freude und Abwechslung nötig hätten?«
Weiland blickte auf. »Eine freudige Abwechslung? Wie soll denn die aussehen, Marga? Wenn ich mich umschaue, sehe ich überall nur in hungrige und kranke Gesichter …«
Bedrückt stellte ich fest, daß in seinen Augen die gleiche Leere und Müdigkeit glänzte wie bei allen anderen im Dorf.Auf einmal erschien mir meine Idee vollkommen fehl am Platz. Wie konnte ich in dieser elenden Zeit auch nur an so etwas denken! Mein Streich mit dem Pfingstlümmel war in eine Zeit gefallen, als noch nicht das ganze Land derart am Hungertuch nagte. Heute dagegen? Doch Weiland ließ nicht mehr locker. Ich faßte mir also ein Herz und weihte ihn in meine Pläne ein. Zuerst hörte er nur stumm zu, und ich wurde immer kleinlauter. Doch als ich fertig war, schaute er ganz vergnügt drein.
»Ein Osterspiel soll stattfinden? Mit verkleideten Spielern? Damit hätten wir ja zwei Böcke mit einem Pfeil geschossen! Erstens ist das Osterfest nirgendwo verboten. So weit würden wir Kirchenmänner es auch nicht kommen lassen, das kann ich dir sagen! Und zweitens hätten die Leute etwas, worauf sie sich freuen könnten!«
Wäre er kein Pfarrer gewesen, hätte ich ihn am liebsten geküßt! Ohne zu zögern hatte er in meinen Vorschlag eingestimmt! Ich nahm mir vor, bald Mitspieler zu suchen und so vielen Leuten wie nur möglich davon zu berichten, denn Vorfreude ist nun einmal die schönste Freude. Gleich heute noch wollte ich Katharina besuchen. Im Geiste konnte ich Oskar Kleins resolutes Weib schon auf der Bühne sehen … Das würde einen Spaß geben!
8.
Die Nachricht über das bevorstehende Osterspiel verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Die Aussicht auf das Fest der Auferstehung bedeutete für alle eine Art Wiedergeburt. Bald schon zeigten sich auf den Feldern die ersten grünen Triebe, und der karge Speiseplan der Menschen wurde endlich durch frischen Löwenzahn und Sauerampfer bereichert. Wiedereinmal war der größte Hunger gebannt. In den Menschen keimten neue Funken der Hoffnung.
Eines Abends stand plötzlich der Sohn des Müllers vor unserer Tür. Er tat recht geheimnisvoll und druckste lange herum, bis er den Grund seines Besuches nannte. Nachdem ich mehrere Eide geschworen hatte, ihn nicht als den edlen Spender zu entlarven, bot er mir einen großen Sack Dinkelmehl für das Osterfest an. Diesen und einige weitere habe er vor den scharfen Augen des Burgverwalters zu verbergen gewußt, um so mancher Familie helfen zu können. Ich konnte die Tränen nicht zurückhalten, denn soviel Edelmut hatte ich dem mürrischen und griesgrämigen Müller nicht zugetraut. Er, der doch wegen seines Berufes von den Dörflern verspottet wurde, dem man mißtraute und dem manche nicht einmal die Hand geben wollten, hatte geholfen, wo keiner half. »Vielleicht können die Weiber Brezeln daraus backen, die an Ostern an die ganze Gemeinde verteilt werden. Soll nicht das Gebäck, wo dreimal die Sonne hindurch scheint, ein Zeichen für bessere Zeiten sein?« meinte er verlegen. Statt einer Antwort nahm ich ihn in die Arme und drückte ihn ganz fest. Ein gestammeltes Dankeschön war alles, was ich herausbekam. An solche Gefühlsäußerungen nicht gewohnt, nahm der Müller mit hochrotem Kopf Abschied und verschwand so schnell, wie er gekommen war.
Sinnend stand ich im Türrahmen und blickte ihm nach. Solange es solch gute Menschen gab, konnte unsere Welt doch noch nicht völlig verdorben sein, oder?
»So ein Mist! Kaum hat man mehr zu essen, wird man wieder von der monatlichen Flut geplagt! Schon wieder sind meine Lumpen durch und durch rotgefärbt, dabei sind die von gestern noch nicht einmal getrocknet!«
Asas Stimme riß mich jäh aus meinen Gedanken. Noch etwas abwesend fragte ich: »Wovon redest du?«
»Von meiner Blutung, von was sonst? Den ganzen Winter hatte ich keine Mühe damit, doch mit dem Frühjahr fängt nicht nur die Natur ihr neues Leben an, hahaha!«
»Asa!« Mir lief es plötzlich heiß und kalt den Rücken hinunter.
»Was heißt hier Asa! Merkst du etwa auf einmal, daß du selbst keine Blutungen hast? Ich vermisse deine Lumpen schon seit einiger Zeit …« Gerissen blickte sie mich an. »Wenn ich’s mir so recht überlege, vermisse ich deine blutigen Lumpen im Waschkübel schon seit dem letzten Herbst …«
»Was willst du damit sagen? Asa, ich flehe dich an, jetzt ist nicht die Zeit für dein geheimnisvolles Getue! Im Winter bleibt das Blut doch häufig aus! Glaubst
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