Die Silberdistel (German Edition)
Burgtor gebunden hatte und mit der Marga irgend etwas zu tun gehabt hatte. Dann war von einem Osterspiel, an dem Marga irgendwie beteiligt gewesen war, die Rede. Scheinbar war es in Taben drunter und drüber gegangen, während er in der Schweiz Zuflucht vor Herzog Ulrichs Rache gesucht hatte.
Das einzig Gute, das Jerg in den ersten Monaten nach seiner Rückkehr entdecken konnte, war die Tatsache, daß von Jost nicht mehr viel übriggeblieben war. Und von dessen Nachfolger, Augustin von Brabant, war kaum etwas zu hören und zu sehen. Leute, die droben auf der Burg fronten, erzählten nur, daß er die meiste Zeit über irgendwelchen Büchern hockte, in denen lange Zahlenreihen stünden. Dazu würde er sich reichlich Wein schmecken lassen. In einem konnten sich Jost und Brabant jedoch unbesorgt die Hand reichen: Die Abgaben und Frondienste forderte Brabant nämlich genauso unerbittlich ein wie sein Vorgänger, lediglich auf das Stück Besthaupt hatte er bisher verzichtet.
2.
»Er kommt! Er kommt!« »Hurra!« »Hoch lebe Erzherzog Ferdinand!«
Tausende von Menschen säumten den Kirchheimer Stadtplatz und reckten – zwei Jahre nach Ulrichs Vertreibung aus dem Land – im blinden Freudentaumel ihre Hälse in die Höhe, um nun einen Blick auf den neuen Regenten zu erhaschen. Von hinten wurde geschoben, von vorne gedrückt. Keiner wollte auch nur eine Elle seines schwer ergatterten Späherplatzes abgeben. Wozu hatte man sich schließlich die halbe Nacht die Beine in den Bauch gestanden? Doch nur, um endlich Ferdinands, des zukünftigen Herzogs von Württemberg, gewahr zu werden!
In der Nähe der Rathausmauer, in vorderster Reihe, standen auch die Brüder Braun mit ihren Weibern. Lene, kurz vor der Niederkunft ihres sechsten Kindes, hatte sich auf einem steinernen Absatz niedergelassen. Auf ihrem Schoß schlief ihr jüngster Sohn, während die anderen in der Näheherumtollten. Marga hatte Find auf dem Arm und reckte diesen von Zeit zu Zeit in die Höhe. Doch im Augenblick gab es noch nichts Sehenswertes. Jerg drehte sich zu Dettler hin.
»Erzherzog Ferdinand … Ob das wohl auch eine so blasse Gestalt ist wie sein Bruder, der Kaiser? Von dem hat man doch kaum etwas gehört, seit der vor zwei Jahren die Regierung übernommen hatte, oder?«
Dettler blickte Jerg schräg von der Seite an. »Sei doch froh, daß Kaiser Karl andere Dinge zu tun hatte, als sich zu sehr um uns zu kümmern. Oder wär’s dir lieber gewesen, er hätte als erstes eine Untersuchung über den Armen Konrad unternommen, kaum daß er ins Amt gehoben war?«
»Ins Amt gehoben – das ist gut! Die Städte haben unser Land doch regelrecht an den Österreicher verschachert!« fiel nun Stefan ein, der neben Dettler stand. »Richtig angetragen haben die dem unser Land, was man damals so gehört hat! Und uns mit dazu! Ich kann’s mir lebhaft vorstellen: ›Lieber, untertänigster Kaiser, wollt Ihr wohl ein Einsehen mit unserem Ländle haben und es uns abkaufen? Wir ach so armen Städte haben keinen roten Heller mehr, weil unser Herzog, den wir nun vor die Tore gesetzt haben, uns ausgeblutet und ausgenommen hat wie eine Martinigans! Dennoch: Ein bißchen etwas läßt sich aus unserer Landbevölkerung immer noch herauspressen … Am besten, ihr nehmt gleich die Peitsche dazu, daran sind unsere Bauern schon gewöhnt.‹« Als er weitersprach, hatte seine Stimme einen verächtlichen Ton. »Ein Habsburger im Schwabenländle – hat man so etwas schon gehört? Kein Wunder, daß der mit uns und wir mit ihm nichts Rechtes anzufangen wußten. Kein einziges Mal war der hier auf Burg Taben. Kein einziges Mal hat er sich zu irgendeiner Huldigung auch nur blicken lassen! Immer nur Vertreter hat der geschickt. Aber wer weiß, wie es uns ergangen wäre, wenn statt dessen Christoph, Ulrichs Sohn, an die Macht gekommen wäre …«
»Ach, der«, wehrte Dettler ab, »der ist doch noch einKnabe. Als der Arme Konrad zum Tanz aufspielte, lag dieses Kind doch noch in der Krippe! Aber soviel steht fest: Wenn er seine rechtmäßige Thronfolge angetreten hätte, hätt’ sich für uns auch nichts geändert. Oder glaubt ihr noch an Wunder? Trotzdem … Eigentlich ist es schon eine Frechheit, ihn so einfach zu übergehen. Aber so ist das halt: Derjenige, der Soldaten und Waffen hat, der hat auch die Macht. Und das sind bei uns nun einmal die Städte. Mal sehen, wen sie uns heute vor die Nase setzen.«
»Erzherzog Ferdinand wird uns aber nicht von den Städten vor die Nase gesetzt,
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