Die Silberdistel (German Edition)
hervor. »Hast du nicht gehört, was er zum Kirchheimer Vogt gesagt hat? ›Ich will nicht den Rest meines Lebens unter schwäbischen Bauern verbringen‹«, äffte er den Herzog nach.
»Wer weiß, vielleicht hatte er dringende Amtsgeschäfte zu tätigen?« Cornelius schnitzte bedächtig an einer Pfeife. Ohne von seiner Arbeit aufzusehen, fuhr er fort: »Die Pferde – eines prächtiger als das andere! Ich finde, das war eine schöne Huldigung!«
»Die einen ordentlichen Batzen gekostet hat! Oder hast du die dreißig Heller schon vergessen, die du dafür an Brabant hast zahlen müssen? Der Schmied hat sogar fünfzig Heller zahlen müssen! Er sagt, nun weiß er nicht, wovon er Vorräte kaufen soll.«
»Eine Schande ist das. Wieso muß die Landbevölkerung überhaupt dafür bluten, daß sie einen neuen Herrscher vor die Nase gesetzt bekommt? Es könnte doch auch anders herum sein, und das Volk bekäme Geschenke von seinem neuen Landesvater«, fiel nun auch Dettler ein, der neben Cornelius auf der Bank saß.
Lene warf ihm einen mißbilligenden Blick zu. »Das war halt schon immer so! Bei einer Huldigung werden nun einmal wertvolle Geschenke gemacht. Schließlich ist doch das der Sinn einer Huldigung, dem Herzog die Dankbarkeit zu erweisen!« wies sie Dettler zurecht, der jedoch so tat, als hätte er sie gar nicht gehört.
Unvermindert heftig fuhr er fort: »Nicht einmal ein Bier hat er für uns ausschenken lassen! Und Brezeln sind auch keine verteilt worden. Dafür werden sich die Herrschaften im Rathaus die gebratenen Schweine wohl schmecken lassen. Ich seh’ sie im Geiste schon vor mir sitzen, die feinen Herren – einen rechten Festtagsschmaus werden sie abhalten, während sich das Volk nach Hause trollen darf und weiter Hungerleidet.« Wie immer, wenn Dettler sprach, hatte seine Stimme eine seltsame Anziehungskraft. Die anderen konnten plötzlich mit eigenen Augen das Bild sehen, das der Redner mit Worten malte.
»Guten Tag zusammen! Würde mir bitte jemand verraten, worum es bei eurer Rede geht? Ihr wißt doch, wie neugierig euer Pfaff ist.« Wie aus dem Nichts aufgetaucht, stand Pfarrer Weiland im Türrahmen und wurde von allen freudig begrüßt. Nur Lenes Miene war anzusehen, was sie von Besuchen zur Mittagszeit hielt. Bedeuteten sie doch einen weiteren Esser für das eh schon kärgliche Mahl. Nicht genug, daß sich dieser Dettler ohne Scham dazugesellte … Die von ihm in schönster Regelmäßigkeit neben die Tür gestellten und mit Obst und Gemüse gefüllten Körbe vergaß sie vor lauter Wut.
Kopfschüttelnd blickte Jerg sich um: Was für ein seltsamer Haufen hatte sich doch hier in Cornelius’ kleiner Hütte zusammengefunden. Es fehlte eigentlich nur noch Asa, das Kräuterweib … Aber die konnte ihm gestohlen bleiben! Schon beim Gedanken an sie mußte Jerg sich ärgern. Statt sich ordentlich um Haus und Hof zu kümmern, wie es sich für ein Bauernweib ziemte, hatte Marga auch nach seiner Rückkehr an ihrer Freundschaft zu Asa festgehalten und besuchte diese, so oft es ging. Selbst den kleinen Find nahm sie mit zu der Kräuterhexe. Diese Besuche waren Jerg ein arger Dorn im Auge, und doch konnte er nichts dagegen unternehmen. Selbst als er seinem Weib Prügel angedroht hatte, hatte sie keine Anstalten gemacht, die Heilerin endgültig aus ihrem Leben zu streichen! Wie verschieden die Menschen doch waren: Selbst in einer so kleinen Gemeinschaft wie dieser gab es keine Einigkeit. Sein Blick fiel auf Dettler. Ein Mann, der bereit war, jederzeit für ein besseres Leben einzutreten. Auf seine Art konnte er ein ganz schön sturer Bock sein, weswegen sie schon des öfteren recht heftig aneinander geraten waren. Jerg wußte, daß Marga seine nächtelangen Gespräche mit demRedner ein Dorn im Auge waren, hielten sie ihn doch von ihrer gemeinsamen Schlafstatt fern. In ihren Augen übte Dettler einen schlechten Einfluß auf Jerg aus. Auch die Schuld für seine Sauftouren und Ausflüge in die Nachbardörfer schob sie Dettler in die Schuhe, und Jerg tat nichts, um Marga davon zu überzeugen, daß dies alles auch auf seinen Wunsch hin geschah. Kurzum: Marga mochte Dettler nicht. Für ihn dagegen war Dettler in den letzten Jahren wie ein Bruder geworden, und manchmal fühlte er sich ihm verwandter als Cornelius, der für jede noch so ungerechte Tat der Obrigkeit eine Entschuldigung fand. Alle seine Bemühungen, Cornelius seine Sicht der Dinge nahezubringen, waren bisher gescheitert – das mußte er sich schmerzlich
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