Die Silberdistel (German Edition)
Luther schon vor Jahren Teile seiner Predigtenin Deutsch abgehalten hat? Statt die Einsetzungsworte der Abendmahlfeiern vornehm leise auf lateinisch zu rezitieren, tut er es laut und auf deutsch! Damals, auf dem Reichstag in Worms, hat er damit begonnen, und bis heute ist es noch keinem gelungen, ihn davon abzubringen!«
»Aber, aber, verehrter Kardinal, das dürfte Euch doch keine Schwierigkeiten bereiten, oder?« Mit erhobenem Becher prostete Ferdinand seinem hohen Gast beschwichtigend zu.
Dieser hob seinen Becher ebenfalls an und erwiderte: »Luther – Schwierigkeiten bereiten?« Als sei dieser Gedanke gar zu aberwitzig, lächelte er gekünstelt. »Nein, in meinen Augen ist er nur eine lästige, fette Wanze, die man, wenn es einem beliebt, zwischen zwei Fingern zerdrücken kann. Mich beschäftigen im Augenblick ganz andere Sorgen …«
Weiland spitzte die Ohren wie ein Jagdhund, der das leise Zittern niedergetrampelter Grashalme zu hören glaubt. Doch bevor Campeggi weiter ausholen konnte, wurde er von Abt Richard mit Belanglosigkeiten unterbrochen. Weiland fluchte still in sich hinein. Er spürte, wie die unterwürfige Art, in der der Abt von Kloster Weil dem Gast aus Rom nach dem Maul reden wollte, in ihm den kleinen, aufsässigen Geist wachrief, der für die meisten seiner feurigen Predigten zuständig war.
»Auch ich habe schon Teile meiner Predigt in Deutsch, oder besser gesagt, in Schwäbisch, abgehalten.« Ohne Vorwarnung purzelten die Worte aus Weilands Mund.
Erzherzog Ferdinand und der Kardinal tauschten einen kurzen Blick, dann starrte der Kardinal mit versteinerter Miene zu Weiland hinüber.
Abt Richard ergriff hüstelnd das Wort. »Ein Scherz, Eure Eminenz! Ein Scherz. Pfarrer Weiland ist für seine Nähe zu den Bauern und Bürgern bekannt. Gerade deshalb wünschtet Ihr doch seine Anwesenheit bei Tisch, nicht wahr? Habt Ihr nicht davon gesprochen, daß Ihr einen Mittelsmann sucht, der Euch von dem Aufruhr unter den Bauern berichtetund so Euren Plänen weiterhilft?« Dabei warf er Weiland einen Blick zu, der diesen verstummen ließ, noch bevor er das nächste Wort gesagt hatte.
»Pläne? Um welche Pläne handelt es sich denn dabei?« Schmatzend ergriff Brabant zum erstenmal das Wort. Seine Augen verschwanden fast völlig in seinem schwammigen, geröteten Gesicht, was ihm nicht gerade einen Ausdruck hoher Intelligenz bescherte. Tatsächlich ahnte Brabant nicht einmal, warum sich Erzherzog Ferdinand gerade hier mit dem römischen Kardinal getroffen hatte, und von diesem Luther, der zum Tischgespräch zu werden schien, hatte er ebenfalls noch nichts gehört. Doch das reichlich aufgetragene, gute Essen versöhnte ihn mit diesen langweiligen Themen.
Campeggi betrachtete zuerst Brabant, dann Weiland angewidert, bevor er sich an den Erzherzog wandte.
»Unser verehrter Gastgeber hat recht. Vielleicht sollten wir wirklich auf unser Vorhaben zu sprechen kommen. Schließlich habe ich den weiten Weg von Rom bis hierher nicht umsonst gemacht.«
»Und dafür sind wir Euch zu tiefstem Dank verpflichtet. Wir wissen die von Euch wohlwollend angebotene Hilfe sehr wohl zu schätzen, verehrter Kardinal.«
Speichellecker, schoß es Weiland durch den Kopf, im gleichen Augenblick schalt er sich für seine unchristliche Denkweise.
Der Kardinal schien durch Ferdinands Worte wieder wohlgestimmt zu sein. Er legte sein Messer zur Seite, wischte sich mit einem Tuch Mund und Stirn ab und begann dann mit seinen Ausführungen. Der Augustiner, wie er Luther nannte, mache ihm derzeit keine großen Sorgen, sei er doch auf der Wartburg bei Eisenach mehr als gut aufgehoben, meinte er überheblich. Wer ihm jedoch im Augenblick schwer im Magen liege, sei Thomas Müntzer. Mit Worten und Ausführungen, schwärzer als die Nacht, begann er Müntzer als einem Teufel gleich zu beschreiben. Er blickte von einem zumanderen, und seine Stimme nahm einen flüsternden Ton an, als wage er es nicht, die Ungeheuerlichkeiten laut auszusprechen.
»Mir wurde von Predigten berichtet, in denen er die Abschaffung der Monarchie beschwor. Fürsten und Herzöge sind für ihn Schmarotzer und Blutsauger, die er von ihren Thronen werfen will. Die ganze Struktur unseres Daseins will er verändern. Den allmächtigen Vater in Rom hat er böse beschimpft, und, was das schlimmste ist: Die Menschen jubeln ihm zu. Im ganzen Land, wohin er auch kommt – überall applaudieren die Lumpen dem Ketzer zu. Es ist noch nicht lange her, ein paar Jahre vielleicht, da
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