Die Silberdistel (German Edition)
deutete auf Abt Richard. »Ich frage mich: Wie viele Steuern hat unser Klostermann schon gezahlt?«
Abt Richard zog zitternd vor Wut die Luft durch die Zähne.
Brabant blickte hilflos zum Erzherzog.
Lorenzo Campeggi schüttelte den Kopf. Obwohl er nicht jedes Wort verstand, hatte er sehr wohl mitbekommen, worum es bei diesem Zwischenfall ging. Armes Württemberg! Unter Erzherzog Ferdinand waren die Unmoral und der Ungehorsam übergeschwappt wie eine fette, heiße Brühe, die alles versengt und verseucht. Als habe er es mit einem dummen Schüler zu tun, wandte er sich nun an den Erzherzog.
»Was hört Ihr Euch diese Frechheiten noch länger an? Um alles in der Welt, so laßt die Burschen festnehmen! Wachen!«
Schwerfällig lösten sich vier in Eisen gewandete Wachposten von der Tür und traten zögerlich an den Tisch. Auf den Befehl des Erzherzogs näherten sie sich den Eindringlingen. Doch kaum hatte einer von ihnen Jerg am Arm gefaßt, riß sich dieser wieder los. Blitzschnell griff er nach dessen Schwert und machte dann er einen Satz nach hinten. Bevor eine der Wachen eingreifen konnte, hatte er den Kardinal am Kragen gepackt und drückte die scharfe Klinge des Schwertes an dessen fahlen Hals.
»Ich lass’ mich nicht einsperren. Und die anderen auch nicht. Unserem Anliegen werdet Ihr Folge leisten, wenn nicht im Guten, dann im Bösen! Das verspreche ich Euch, so wahr mir Gott helfe!«
Kaum waren die drei Bauern mit dem Kardinal in ihrer Mitte geflüchtet, brach auf der Burg ein wildes Durcheinander aus. Späher wurden ausgeschickt, Boten nach Stuttgart geordert, Suchtrupps durchkämmten die ganze Burg von Kopf bis Fuß. Inmitten des ganzen Durcheinanders bücktesich Weiland zu Boden und hob die Papierrolle auf, die Jerg vor seiner Flucht dem Burgverwalter vor die Füße geworfen hatte. Er dankte seinem Herrgott, daß in dem Durcheinander keiner der anderen danach gegriffen hatte. In Dettlers feiner, verschnörkelter Handschrift standen folgende Sätze geschrieben:
Wir, die Bauersleut’ von Taben, wollen von jetzt an und für alle Zukunft nur noch dem Kaiser und dem Papst gehorchen. Um der Gerechtigkeit Genüge zu tun, fordern wir jetzt und für alle Zeiten …
– daß wir nicht mehr zahlen müssen als den Zehnten an die Kirche,
– daß uns Steuern und Abgaben mögen erlassen sein,
– daß Wild, Wasser und Vögel für alle Menschen frei sein sollen,
– daß wir Büchsen und Armbrust tragen dürfen wie die feinen Herren,
– daß wir für unseren Lehnsherren, den Verwalter der Burg Taben, nicht mehr müssen arbeiten, noch mähen, schneiden, heuen und auch nicht mehr einfahren,
– daß wir von den Forstmeistern und Jägern nicht mehr gestraft werden dürfen,
– daß wir Hunde nur noch zu unserem eigenen Dienste, nicht mehr für die adelige Jagd aufziehen müssen.
Wer sich gegen unser Vorhaben wehret und widersetzet, den wollen wir durch die Spieße jagen oder totschlagen.
Gezeichnet: Die Landbevölkerung von Taben.
Mit Tränen in den Augen las Weiland Namen für Namen, betrachtete Kreuz für Kreuz, bis er ans Ende der Unterschriftenliste gelangte. Dann steckte er sie unauffällig ein. Fiele die Liste in die falschen Hände, bedeutete sie für jeden, dessen Namen sich darauf befand, das Todesurteil.
5.
»Macht die Tür auf! Aufgemacht! Sonst treten wir sie ein!«
»Was ist denn? Heiliger Vater im Himmel, was …?«
»Geh aus dem Weg, Weib! Wo ist der Lump?«
Fünf schwerbewaffnete Soldaten der Burg drängten sich an Lene vorbei ins Haus. Breitbeinig plazierte sich einer der Soldaten vor der Tür, während die anderen jeden Winkel der kleinen Hütte absuchten. Vor Wut bebend und mit zusammengekniffenen Lippen mußte Lene zusehen, wie die Männer rücksichtslos Tisch und Bänke umwarfen und die Schlafstätten zerwühlten, bis das aufgehäufelte Stroh in der ganzen Hütte herumflog. Mit einem Handstreich fegte gerade einer sämtliches Kochgeschirr vom Holzbrett an der Wand, als Cornelius eintrat. Statt – wie jeden Tag um die Mittagszeit – von Lene mit einer warmen Suppe auf dem Feuer erwartet zu werden, fand er sich in einem heillosen Durcheinander wieder. Vor Aufregung zitternd packte er den Erstbesten am Genick und begann ihn zu schütteln.
»Ihr elendigen Hunde! Was …« Noch ehe er ausgesprochen hatte, eilten die anderen Soldaten ihrem Anführer zur Hilfe. Mit groben Schlägen knüppelten sie Cornelius nieder, bis dieser benommen auf dem Boden liegenblieb. Die Spieße auf ihn
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