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Die Silberdistel (German Edition)

Die Silberdistel (German Edition)

Titel: Die Silberdistel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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wurde er als Prediger ausgelacht und verspottet. Heute hängen die Menschen an jedem Wort, das seinen teuflischen Lippen entspringt! Oh ehrwürdiger Vater im Himmel – mögest du doch das Fegefeuer schicken zu denen, die deinem Himmelreich trotzen und wehren!« Für einen kurzen Moment faltete er die Hände zum Gebet und hob seine Augen gen Himmel, was ihm statt Frömmigkeit jedoch lediglich den Ausdruck eines Adlers verlieh, der eines fetten Kaninchens gewahr wird.
    Weiland mußte an Jerg und Dettler denken, die mit glühender Verehrung von Müntzers Rede in Ulm berichtet hatten. Ihm wurde angst und bange. Die Liste der Bauern dem Burgverwalter zu übergeben, solange dieser Campeggi auf der Burg weilte, kam einem Todesurteil gleich, soviel hatte Weiland aus den Worten des schwarzbemantelten Kardinals mittlerweile herausgehört. Nachdem er nun Stunden in Brabants Gesellschaft verbracht hatte, begann er außerdem an dem Plan selbst zu zweifeln. Außer Fressen, Saufen und Steuern einzutreiben schien der Burgverwalter nichts im Sinn zu haben. Wie sollte er die Forderungen der Bauern verstehen?
    »Verbrecher, die einem der ihren das Ohr schenken! Ein aufrechter Bürger würde sich so etwas niemals anhören!« Brabant schüttelte unwirsch den Kopf, bevor er sich dem siebten Gang, einer Schüssel süßer Mehlklöße, die indunkelgelbem Honig schwammen, widmete. Ihm war jedenfalls in Taben noch nichts von diesem Müntzer zu Ohren gekommen.
    »Wie gefährlich schätzt Ihr Müntzer und seinen Einfluß auf die Menschen im Lande ein?« Ohne auf Brabant einzugehen, wandte sich der Abt von Kloster Weil an den Kardinal.
    »Als sehr gefährlich. Sicher, er ist ein Schwärmer. Doch seine Worte sind wie ein Gift, das langsam, aber sicher seine Wirkung zeigt. Schon bald wird er das ganze Land mit seinen unseligen Reden vergiftet haben. Die Menschen werden aufrührig und laut. Seine Anhänger verlangen, daß die Kirche Steuern zahlt wie das gemeine Volk. Den Ablaßhandel wollen sie abschaffen und die Klöster auflösen! Nicht genug, daß Luther die katholische Kirche in jeder seiner Schriften angreift – Müntzer ruft die Menschen direkt zum Ungehorsam auf. Er ist ein Werkzeug des Teufels!«
    Verschüchtert blickte Brabant von seinem Teller auf.
    »Übertreibt Ihr nicht ein wenig, Eure Eminenz?« Besorgt zog auch Ferdinand die Augenbrauen in die Höhe.
    »Ich glaube nicht. Auch die Aufstände vor zehn Jahren fingen harmlos an. Doch eh’ die Landesväter sich versahen, brannte das Feuer des Ungehorsams lichterloh. Ging es damals um Steuern und Gewichte, so haben sich die bösen Buben heute höhere Ziele gesetzt: Die Reformation der Kirche, die Revolution der Politik und der einzelnen Länder – ist das in Euren Augen nicht Grund genug zur Sorge? Ging es früher um die Wiederherstellung von alten, abgeschafften Rechten, so wollen sie heute ein völlig neues Gesetz!« Mit fiebrigen Augen wartete der Kardinal ungeduldig auf eine Entgegnung. Als diese ausblieb, fuhr er fort:
    »Außerdem …«, er beugte sich über den Tisch in die Richtung des Erzherzogs, »man munkelt, daß der Fugger Eure Schulden eintreiben will. Wie wollt Ihr diese bezahlen, ohne neue Abgaben und Steuern zu erfinden? Glaubt Ihr etwa, dieMenschen, von Müntzer aufgehetzt, lassen sich das so ohne weiteres gefallen?«
    Weiland lief es eiskalt den Rücken hinunter. Mehr Abgaben konnten die Bauern nicht bezahlen, und wenn der Herzog sie aus jedem einzelnen herausprügeln wollte! Und noch etwas anderes beunruhigte Weiland, aber es dauerte eine Weile, bis ihm klar wurde, was es war: Die Art und Weise, wie der Kardinal mit Ferdinand umsprang, mit ihm redete, war völlig respektlos und zeugte von großer Macht.
    Wie vom Donner gerührt saß Erzherzog Ferdinand da. Daß ihn sein Gast so offen mit seinen Schulden konfrontieren würde – damit hatte er nicht gerechnet. Vielmehr hatte er darauf gebaut, daß der Dominikaner ihm geeignete Wege zeigen würde, um den Frieden im Lande wiederherzustellen! Statt dessen schien dieser ihm selbst eine Mitschuld an der Misere zuschreiben zu wollen! So schwer es ihm auch fallen mochte – er nahm sich vor, den Hieb des Kardinals bezüglich seiner Schulden zu ignorieren. Auf einmal spürte er ein arges Zwicken in der Magengegend. Der unerfreuliche Verlauf des Mahles bereitete ihm Schmerzen. Er stöhnte laut auf.
    »Um Himmels willen! Als ich Württemberg vom Kaiser als Leiblehen bekam, hatte ich doch mit keinem Gedanken daran gedacht,

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