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Die Silberdistel (German Edition)

Die Silberdistel (German Edition)

Titel: Die Silberdistel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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gutgegangen.« Jerg wischte sich mit seiner Rechten die Stirn ab, die trotz der feuchtkalten Nacht schweißnaß war.
    »Aaah, meine Knochen sind ganz morsch.« Dettler reckte sich mit schmerzverzogenem Gesicht. »Laßt uns weitergehen. In Richtung Dettingen sind wir erst einmal sicher, würd’ ich sagen. So, wie es aussieht, denken die, daß wir in Richtung Kirchheim gezogen sind.«
    Auch Stefan hatte sich wieder aufgerichtet. »Also, ich weiß immer noch nicht, ob es richtig war, den Kardinal so einfach laufenzulassen. Vielleicht hätten wir ihn noch eine Weile bei uns behalten sollen. Zum Schutz, sozusagen.«
    »Zum Schutz? Der hätte uns doch gerade eben schon verpfiffen. Oder glaubst du, er hätte die Soldaten so einfach vorbeiziehen lassen?«
    »Nein, es war schon richtig, ihn laufenzulassen«, stimmte auch Dettler zu. »Außerdem, so einfach haben wir es ihm schließlich nicht gemacht. Bis der auf der Burg droben ist,wird er seinen Herrgott noch einige Male um Hilfe anflehen, das könnt ihr mir glauben.«
    Jerg und Stefan lachten. Im Geiste sahen sie den Kardinal vor sich, wie er nackt und unbekleidet wie Adam im Paradiese umherirrte und auf italienisch nach dem Wege zur Burg fragte. Nur waren Adam damals weder Augen noch Hände verbunden gewesen!
    »Dem haben wir’s ganz schön gegeben!« Stefan lachte grimmig.
    »Ja, das schon. Aber ehrlich gesagt, mir wär’s lieber gewesen, es wär’ gar nicht soweit gekommen. Wieso hat dieser Hurensohn von Brabant nicht einfach unsere Liste genommen und gesagt: Ihr braven Bauern, wenn das eure Wünsche sind, dann sind sie mir Befehl!« Während Jerg sprach, kamen kleine, weiße Atemwolken aus seinem Mund.
    »Brabant! Der ist doch nur ein dummer, gefräßiger, alter Sack! Wenn wir ihn allein erwischt hätten – vielleicht hätten wir dann eine Aussicht auf Erfolg gehabt. Aber mit dem Österreicher und dem Italiener am Tisch? Nein, nein, du hättest auf Weiland hören sollen. Es war einfach nicht der richtige Zeitpunkt, um die Liste zu übergeben.«
    »Ja, ja, sag es noch hundertmal, Dettler, und es wird trotzdem nichts mehr ändern. Willst du mir etwa jetzt einen Strick daraus drehen, he?« Wütend stellte sich Jerg Dettler in den Weg und fixierte diesen wie die Schlange das Kaninchen. Über seinem rechten Auge war eine dicke Ader hervorgetreten und zuckte heftig.
    Ungeduldig trat Stefan von einem Fuß zum anderen, während sich die anderen beiden wie zwei wilde Hunde belauerten. Es war Dettler, der als erstes wegblickte. Mit einer Stimme, die wieder alltäglich und normal klang, antwortete er: »Laßt uns gehen, wir haben keine Zeit zu verlieren. Holen wir uns das Wahrzeichen unseres Kampfes zurück, bevor es im Haus eines Verräters noch völlig verrottet!«
    Zügig und ohne miteinander zu sprechen marschierten die drei weiter und waren kurze Zeit später im Schutz der Dunkelheit vor den Mauern Dettingens angekommen. Sie hatten keine Soldaten mehr getroffen, was ihnen Mut für das bevorstehende Unternehmen gab. Dettingen war wohl in den Augen der Soldaten der letzte Zufluchtsort, den sich ein Tabener wählen würde.
    Es war Dettlers Gedanke gewesen, die Fahne des Armen Konrad zurückzuholen. Irgendwann einmal während der langen Jahre der Verbannung hatte Jerg ihm von dem Symbol des Armen Konrad erzählt. Mit glänzenden Augen hatte er seine Beschreibung immer weiter ausgeschmückt, und Stefan hatte zu allem zustimmend genickt. Die Fahne, ja, das war etwas, worauf sie stolz sein konnten! Nach diesem für Jerg so ungewöhnlichen Rausch der Worte war es kein Wunder, daß Dettler diese Fahne nicht mehr aus dem Sinn gegangen war. Daß es bald neue Aufstände geben würde – das war für Dettler so klar wie das Amen in der Kirche. Wenn die Fahne den Leuten in der Gegend soviel bedeutet hatte – was lag dann näher, als sie ihnen zurückzugeben? Vorausgesetzt, sie befand sich noch in den Händen von Bantelhans, dem abtrünnig gewordenen Anführer von damals.
    Es war fast Mitternacht, als sie vor dem Haus von Bantelhans ankamen. In einer Seitenstraße gelegen, gehörte es zu den stattlichsten Häusern Dettingens. Es hatte nicht nur ein, sondern zwei Stockwerke aus solidem Mauerwerk. Schwere Fachwerkbalken unterbrachen die braunen Steinwände, und im First unter dem Dach war die Jahreszahl 1510 in großen Lettern aufgemalt. Nach den gescheiterten Aufständen im Jahre 1515 hatte Bantelhans unter dem Protektorat seines alten Freundes Schwygkher einen verlängerten Aufenthalt

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