Die Silberdistel (German Edition)
auf.
»Und du? Du tust dir auch nur selber leid. Warum hast du dich nicht gewehrt gegen den Soldaten? Hast vielleicht keine Faust zum Schlagen? Kein Maul zum Aufmachen? Nein, das hast du immer alles deinem Bruder überlassen, während du dich unterm Rock von deinem alten Weib verkrochen hast.«
Lene zog hörbar die Luft durch die Zähne. Noch bevor Cornelius antworten konnte, schlug ein anderer mit der Faust auf den Tisch.
»Georg, jetzt ist’s genug!«
»Nein, Vater! Einer muß es dem Cornelius mal sagen, und wenn ich derjenige bin – mir soll’s recht sein!« Mit seiner rechten Pranke schüttelte Georg seinen Vater ab wie eine lästige Fliege. Die anderen Dorfbewohner schauten stumm zu. Waren denn jetzt alle verrückt geworden, schienen sich die meisten sich zu fragen.
»Du, Cornelius, bist schuld, wenn Jerg jetzt in sein Unglück rennt! Du und niemand anders«, fuhr Georg den verblüfften Cornelius an.
Dieser glaubte seinen Ohren nicht zu trauen. Fassungslos starrte er Georg aus seinem verschwollenen Auge an. »Hab’ ich ihn vielleicht auf die Burg hinaufgeschickt? Hab’ ich ihn zum Armen Konrad gebracht, damals, vor seiner Flucht?«
»Nein, hast du nicht. Aber vielleicht wär’ das besser gewesen, als immer alles zu verdammen, was Jerg vorhatte. Denn alles, was er tut, tut er für uns alle! Statt ihm dabei zu helfen, macht ihr euch vor Angst lieber in die Hose!« Er ging zur Tür. Im Hinausgehen drehte er sich noch einmal um. »Ihr widert mich an wie fauliges, altes Fleisch, aus dem die Maden hervorkriechen. Ihr Feiglinge!«
Einer nach dem anderen blickte betroffen zu Boden. Georg hatte recht. Jerg war es schließlich, der immer wieder imNamen aller seinen Hals riskierte. Während sie sich in der Menge versteckten, marschierte Jerg stets allein voraus. Aber, schien der trotzige Blick von einigen zu fragen, erwartete Jerg nicht einfach zuviel von den Menschen?
Verwirrt blickte Cornelius von einem zum anderen. Er schüttelte den Kopf. »Ich soll schuld sein, wenn Jerg jetzt etwas anstellt?«
Weiland zog ihn an den Tisch, setzte sich neben ihn und legte beruhigend seine Hand auf Cornelius’ Schulter. Doch als dieser aufblickte, sah er rundum in feindselige Gesichter.
»Was ist, was glotzt ihr mich so an? Auf was wartet ihr?«
»Vielleicht darauf, daß du dich endlich zu unserer Sache bekennst!« Fritz Huber trat einen Schritt hervor. Die anderen murmelten ihre Zustimmung.
Hilfesuchend blickte Cornelius zu Weiland.
Dieser tönte jedoch in das gleiche Rohr. »Der Huber hat nicht unrecht, Cornelius. Einen wie dich könnten die Männer gut gebrauchen. Du hast einen klaren Verstand und bist nicht so voreilig bei der Sache wie gewisse andere Burschen … Und oft ist es gerade die Bedächtigkeit, die ans Ziel führt. Und die Unbedachtheit, die ins Unglück führt. Würdest du mit den anderen gemeinsame Sache machen, könntest du Jerg vielleicht das nächste Mal vor Übel bewahren.«
»Ihr wart doch auch da oben, Pfarrer. Wieso habt Ihr ihn nicht davor bewahrt?«
»Weil ich nicht sein Fleisch und Blut bin. Weil er sich von mir nichts sagen läßt.«
»Aber von mir läßt er sich was sagen. Das habe ich gemerkt in den letzten Jahren.« Cornelius lachte bitter auf.
»Du mußt deinen Bruder nur verstehen wollen, Cornelius. Wenn du immer gleich verdammst, was er zu sagen hat, läßt er sich natürlich nichts sagen! Aber er ist ein guter Kerl, und die Gerechtigkeit geht ihm über alles. Er will halt unbedingt mit dem Kopf durch die Wand, auch wenn sich nebendran eine Tür befindet.«
»Und diese Tür soll ich ihm zeigen?«
»Nein.« Weiland schüttelte den Kopf. »Durch diese Tür sollst du mit ihm gemeinsam gehen.«
Mit einem beherzten Sprung eine Böschung hinab retteten sich die drei Männer vor dem Entdecktwerden. Jerg fluchte in sich hinein. Noch mehr Soldaten. In der ganzen Gegend wimmelte es nur so davon. Seit sie mit dem Kardinal geflüchtet waren, hatten sie sich hinter jeder Ecke verstecken müssen. Nicht einmal die einbrechende Dunkelheit bot Schutz. Immer noch waren auf allen Wegen berittene Soldaten und Fackelträger unterwegs, wobei viele die Uniform der Kirchheimer Stadtgarde trugen. Auch ein paar Landsknechte des Dettinger Markgrafen hatte Jerg schon erkannt. Wahrscheinlich hatte Brabant in aller Eile Nachricht ausgeschickt und Hilfe angeheuert, wo er sie finden konnte. Diesmal aber waren die Soldaten endlich unter lautem Getöse verschwunden.
»Pfff, das ist ja gerade noch einmal
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