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Die Silberdistel (German Edition)

Die Silberdistel (German Edition)

Titel: Die Silberdistel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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erstaunlich einfach. Noch lange danach mußte Jerg mit Verwunderung daran denken, wie widerstandslos sich die einstmals uneinnehmbar scheinende Festung ergeben hatte. Die Mehrzahl der Soldaten, die tags zuvor noch groß und mächtig durch die Gassen Tabens stolziert waren, hatte sich angesichts der herannahenden aufgebrachten Menschenmenge aus dem Staub gemacht. Andere hatten sich ihrer bäuerlichen Wurzeln erinnert, die Uniform vom Leib gerissen und waren Seite an Seite und unter großen Jubelrufen seitens der Bauern mit diesen auf das Gemäuer zumarschiert. Nur die allerwenigsten hatten sich darum bemüht, die Burg und ihren Burgherrn zu verteidigen, und die es taten, gaben binnen kürzester Zeit angesichts der angreifenden Übermacht auf.
    Danach war alles recht schnell gegangen: Im Turm selbst hatten sich zwar noch einige Soldaten verschanzt, doch sehr schnell gaben auch diese angesichts der wildgewordenen Bauern und ihrer in die Höhe gereckten Spieße auf und ließen sich widerstandslos Hände und Füße zusammenbinden. Von ihrem Anführer, der Cornelius am Tage zuvor blutig geschlagen hatte, fehlte jede Spur. Zu gern hätte er der brutalen Fratze des Kerls ein paar Hiebe verpaßt, doch nun mußte er seine Rachegelüste im Zaum halten. ›Solche Saukerle sind wahrscheinlich immer die ersten, die sich aus dem Staube machen, wenn es darauf ankommt‹, vermutete Cornelius.
    Die Getreidekammern waren fast leer, die Vorratskammern ausgeräumt und die herrschaftlichen Räume der Burg von allem befreit, was nicht niet-und nagelfest war, als plötzlich eine kleine Gruppe von Bauern laut johlend aus einem der Nebengebäude heraustrat. Unter lautem Getöse zogen sie Augustin von Brabant hinter sich her. Jerg, der mit einer erleichterten Asa und einer überglücklichen Marga am Randeder Burgmauern verschnaufte, konnte sich angesichts dieses Anblickes ein zufriedenenes Grinsen nicht verkneifen. Georg, der Jerg nicht von der Seite gewichen war, lachte laut auf und rannte zu den anderen. Nur mit einem dünnen Hemd bekleidet, ohne Hosen und ohne Schuhe stand der Burgverwalter da. Seine schweren, fellverbrämten Kleider, sein tiefblauer, mit goldenen Bordüren eingefaßter Samtmantel – alles war ihm weggenommen worden. Wie eine Jungfrau hielt er schützend beide Hände vor sich. Aufgestachelt durch den so leicht errungenen Zugang zur Burg, wurden die ersten Männer übermütig. Nicht gerade zaghaft tippten sie Brabant mit ihren Speerspitzen an. Verschreckt sprang dieser von einem Bein auf das andere.
    »Tanze für uns, du edler Burgverwalter!«
    »Jawohl, tanze, wie unsere Weiber jahrelang für dich haben tanzen müssen!«
    Das Lachen der Männer zog immer mehr Bauern an, und im Nu hatte sich ein großer Kreis gebildet, in dessen Mitte Augustin von Brabant seinen Tanz vollführte. Immer übermütiger stachelten die zuvorderst stehenden Bauern den alten Ritter an. Mit Tränen in den Augen und angstverzerrtem Gesicht drehte sich der Burgverwalter wild im Kreis.
    Mit regloser Miene stand Jerg daneben und sah zu. Um keinen Preis der Welt hätte er in Brabants Haut stecken wollen, doch wäre es ihm nie in den Sinn gekommen, dem Treiben ein Ende zu machen. Sollten die Leute doch ihren Spaß haben!
    Wie immer war es Cornelius, der den Spielverderber mimen mußte. »Um Himmels willen, hört auf damit!« Wütend deutete er auf Brabant, der sich jetzt hilfos weinend auf dem Boden zusammenkrümmte. »Wollt ihr selbst so grausam werden wie die Herren, denen ihr das jahrelang vorgeworfen habt?« Voller Abscheu blickte er von einem zum anderen.
    »Du hast uns nichts zu sagen, Cornelius Braun!« Miteinem silbern glänzenden Speer in der Hand trat der Schmied einen Schritt nach vorn.
    »Ja, was kümmert es dich, was wir mit dem alten Bock vorhaben?« Feindselig starrten die Männer Cornelius an. Wimmernd lag Brabant auf den Pflastersteinen des Burghofes, zu schwach, um die Gelegenheit zur Flucht zu nutzen.
    Langsam, aber sicher kreisten die Männer nun Cornelius ein, der sich breitbeinig der Menge stellte. »Wir haben uns geholt, was uns zusteht! Wir haben die Soldaten vertrieben und unsere Heilerin gerettet. Was wollt ihr mehr?«
    »Unseren Spaß wollen wir! So einfach ist das«, antwortete einer der Männer.
    »Jawohl!« pflichtete ihm ein anderer bei. »Wir wollen uns lustig machen über den feinen Herren, so wie er sich jahrelang an uns belustigt hat.«
    Grob stießen sie Cornelius zur Seite, dann begannen die Männer erneut, Brabant

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