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Die Silberdistel (German Edition)

Die Silberdistel (German Edition)

Titel: Die Silberdistel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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mit Speerstichen zu malträtieren. Enttäuscht ging Cornelius in Richtung Burgtor. Als er an Jerg vorbeikam, blieb er stehen.
    »Das hast du fein hingekriegt! Wenn das dein Paradies auf Erden ist, kannst du mir damit gestohlen bleiben! Kaum geht es los, sind die Leut’ wie wildgewordene Hunde, die kein Halten mehr kennen.« Angewidert drehte er sich ab.
    »Was erwartest du?« rief Jerg ihm nach. »Sie werden ihn schon nicht umbringen!«
    Doch Cornelius schüttelte nur den Kopf. Wütend starrte Jerg ihm nach. Er wußte nicht, was ihm nun lieber war: daß Cornelius sich überall einmischte und mitreden wollte oder daß er, so wie früher, von allem nichts wissen wollte. Warum konnte Cornelius nicht ein einziges Mal gleicher Meinung mit ihm sein? Der so leicht errungene Sieg hatte auf einmal einen schalen Beigeschmack.
    Taben war bei Jergs Rückkehr wie ein brodelnder Hexenkessel. Lautes Geschrei vermischte sich mit aufgeregtem Wiehern, ängstliches Gegacker wurde von ausgelassenemGelächter übertönt. Jerg lachte. Bevor sie die Burg verlassen hatten, waren die Tabener durch sämtliche Ställe gegangen und hatten Pferde, Kühe und anderes Viehzeug mitgenommen. In mancher Tabener Hütte stand nun ein Gaul, so fein und edel, daß ein Herzog seine Freude daran gehabt hätte. In jeder Hütte stolperte man über Gänse, Hühner und anderes Federvieh. Nicht einmal die älteste Kuh oder den störrischsten Esel hatten sie auf der Burg gelassen. Das ganze Dorf quoll über vor Leben! Wohin Jerg auch ging, er wurde gefeiert wie der feinste Herr. Doch nirgendwo ließ er sich länger aufhalten. Ihn drängte es danach, mit Dettler und den anderen zu reden, sich zu beraten. Denn eine Frage beschäftigte ihn mehr als alle anderen: Wie sollte er die Menschen nun, da ihre wichtigsten Bedürfnisse gestillt und sie in Festtagsstimmung waren, zum Marsch nach Kirchheim überreden? Zu groß war die Verführung, den errungenen Sieg zu genießen, es sich zum ersten Mal seit Jahren gutgehen zu lassen. Aber Jerg wußte: Wenn sie sich nicht anderen Dörfern anschlossen, nicht gemeine Sache machten, würde die neue Freiheit nicht lange währen. Lange würde es sicher nicht dauern, bis die Lehnsherren der Umgebung Wind von dem bekämen, was auf Burg Taben geschehen war. Vielleicht war schon längst ein übereifriger Soldat beim Freiherrn in Dettingen oder beim Vogt in Kirchheim, um sich mit der Nachricht über den Tabener Aufstand wichtig zu tun. Dann würden bald Soldaten aus Stuttgart und weiß Gott woher angeritten kommen, um in Taben wieder für das zu sorgen, was in ihren Augen Recht und Ordnung bedeutete. Unwillkürlich kam Jerg ein Satz von Bantelhans in den Sinn, den der erfahrene Haudegen bei jeder Gelegenheit wiederholte. »Eine gewonnene Schlacht ist noch lange kein gewonnener Krieg.« Damals, als er ihn so reden hörte, hatte Jerg unwillig die Augen verdreht und Bantelhans’ Sprüche für wichtigtuerisches Gerede gehalten, ja, er hatte ihm sogar vorgeworfen, ein Schwarzmaler und Griesgram zu sein, der sich an keinem Erfolg sorecht freuen mochte. Heute ahnte Jerg jedoch zum ersten Mal, wieviel Wahrheit in den Worten des alten Soldaten steckte.
    Am nächsten Tag wußte Jerg nicht, ob er erleichtert oder besorgt darüber sein sollte, daß ihm die Antwort auf seine schwierige Frage vorerst abgenommen worden war. Tatsache war jedoch, daß die Bauernhaufen, die sich laut Michel in der Nähe von Kirchheim gesammelt hatten, um gemeinsam in Richtung Stuttgart zu marschieren, in Luft aufgelöst zu haben schienen. Vielleicht war ihnen das Warten zu lange geworden, vielleicht hatte sie aber auch einfach der Mut verlassen – keiner wußte es. Georg, von Jerg zum Auskundschaften ausgeschickt, konnte lediglich von zwei, drei Dutzend Bauern berichten, die mehr oder minder betrunken auf einer hügeligen Anhöhe, der sogenannten Stelle bei Kirchheim herumlungerten. Von einem Zug in Richtung Stuttgart wußte dort niemand etwas.
    Fassungslos darüber, daß seine Informationen über die bevorstehende Eroberung Stuttgarts falsch waren, zog Michel selbst aus, um sich ein Bild über die Lage zu machen. Auch er kam kurze Zeit später entmutigt zurück. Doch was er zu berichten hatte, war in Jergs Augen nicht schlecht. Zeigte es doch, daß der Tabener Aufstand kein Einzelfall war. Laut Michel waren binnen weniger Tage in der ganzen Umgebung Leibeigene, Bauern und Gesinde aufgestanden und hatten Haus und Hof gestürmt. In Hohenweihern, einer etwas südlicher

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