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Die Silberdistel (German Edition)

Die Silberdistel (German Edition)

Titel: Die Silberdistel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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selbst ein Blinder darauf kommen müssen, um wen es sich handelte.
    »Es ist ein harter Winter, der uns bevorsteht. Die Menschen sind arm und krank, da stehen die Türen offen für noch mehr Elend«, entgegnete sie flüsternd und blickte dabei wirr von einem zum anderen.
    Der Soldat kniff ärgerlich die Mundwinkel zusammen. »Was sprichst du in Rätseln?«
    Die anderen scharrten ungeduldig mit den Füßen auf dem gefrorenen Boden. In ihren Augen war dies hier reine Zeitverschwendung, während die Attentäter immer noch auf freiem Fuß waren. Und je länger sie diese nicht faßten, desto größer wurde die Gefahr einer heftigen Tracht Prügel, die sie oben auf der Burg erwartete, wenn sie ohne die drei Männer zurückkamen.
    In nur wenigen Augenblicken hatte Asa erfaßt, daß ihr von den anderen Soldaten keine Gefahr drohte. Im Gegenteil, diese schienen Angst vor ihr zu haben. Deshalb konzentrierte sie sich auf den Anführer. Ihre Augen funkelten gefährlich. »Siehst du, was ich hier in der Hand habe?« Sie hielt ihm einen grünen Zweig entgegen. Unwillkürlich wich der Mann einen Schritt zurück.
    »Wacholder ist das!« zischte Asa nach bester Hexenart.
    Die Männer zuckten erschrocken zusammen. »Wacholder!« Einer nach dem anderen bekreuzigte sich. Nur der Anführer schien noch nichts begriffen zu haben. Aufgeregt zupfte einer der anderen an seinem Arm.
    »Laß uns hier verschwinden. Wenn die Hexe damit von Haus zu Haus geht, kann das nur eines bedeuten: Irgendwo im Dorf ist die Pest ausgebrochen.«
    »Die Pest?« fragte der Anführer argwöhnisch nach.
    Asa begann zu schwitzen. »Noch ist der Schwarze Tod nicht eingekehrt in Taben, aber auf unseren Fersen ist er schon.« Weiter wollte sie ihre Geschichte nicht ausspinnen,denn sie hatte Angst, daß sie dadurch Wirklichkeit werden würde.
    »Ihr dämlichen Hunde«, fuhr der Anführer seine Soldaten an. »Wer weiß, vielleicht gibt es hier gar keine Pest, und die einzige Seuche, die im Umlauf ist, ist die des Aufruhrs und des Verrates?« Er ließ Asa nicht aus den Augen. »Vielleicht hat die Hexe nichts anderes getan, als noch mehr Aufrührer zusammenzurotten …« Er trat so nahe an Asa heran, daß sie seinen säuerlichen Atem riechen konnte. Urplötzlich fühlte sie sich viele Jahre zurückversetzt, auf die Burg ihrer Kindheit. In ihren Ohren klang das laute, weinselige Lachen von damals, sie hörte die betrunkenen Stimmen der Männer, die sich gegenseitig anfeuerten, während sie wilden Tieren gleich über das Kind herfielen. Sie begann zu zittern, ohne daß sie etwas dagegen tun konnte. Ein leises Wimmern entwich ihrem Mund. War es nicht das gleiche Gesicht, das ihr heute wie damals entgegenstarrte? War es nicht dieselbe Lust am Leid der anderen? Dieselbe Gier nach Qual, nach dem Zufügen von Pein und Schmerz? Sie hatte das Gefühl, als umhülle die Angst sie wie ein dunkler Mantel, den sie, für alle Welt sichtbar, über ihrem schutzlosen Leib trug.
    Starr vor Angst beobachtete Sophie, wie die Kraft der Heilerin Stück für Stück von ihr abfiel, bis schließlich ein hilfloses Bündel Mensch zum Vorschein kam, das gegen die Soldaten nichts ausrichten konnte.
    Wie gelähmt stand Asa da, nahm wahr, wie sich Sophie Schritt für Schritt unauffällig in die Hütte zurückschlich, wie das Gejammer der anderen Soldaten verstummte. Der Blick des Anführers brannte wie Feuer auf ihrem Gesicht. Sie schaute auf, und ihre Blicke trafen sich. Und sie wußte, daß er ihr kein Wort glaubte.
    Die Nachricht, daß die Soldaten Asa, die Heilerin, festgenommen hatten, verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Atemlos rannte Sophie von Haus zu Haus und übermittelte Jergs Botschaft. Die Wut der Tabener, das jahrelang hingenommeneUnrecht, die Angst des einzelnen – alles wallte auf zu einem nicht zu bändigenden Sturm, der durch die Gassen pfiff und das Gebälk der Hütten erschütterte. Es war nicht allein die Sorge um die Heilerin, welche die Menschen so aufbrachte, dazu waren im Laufe der Jahre schon zu viele Unschuldige festgenommen und verurteilt worden. Hätte man jedes Mal einen Aufstand machen sollen? Dabei das eigene Wohlergehen und das der anderen aufs Spiel setzen sollen? Nein, die Nachricht von Asas Festnahme war einfach der Tropfen, der das Faß zum Überlaufen brachte. Immerhin war sie eine der ihren, und daß sie weder mit der Geiselnahme des römischen Pfaffen noch mit sonst einer Schandtat etwas zu tun hatte, das wußte jeder! Und selbst wenn es so gewesen wäre? In den

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