Die Silberdistel (German Edition)
daß damit die Sache ein für allemal geklärt wird! Ein bißchen Krieg hier und ein bißchen Kampf da wird nicht genügen. Ich frage Euch daher noch einmal: Ist der Truchseß von Waldburg unser Mann?«
Die anderen schauten sich überrascht, fast schon erschrocken an. Ferdinand schien sich tatsächlich Gedanken gemacht zu haben! Für einen Moment lang blieben sie ihm eine Antwort schuldig. Dann trat Freiherr von Lindenstein vor.
»Laßt es mich so formulieren …« Seinen Bart zwischen Daumen und Zeigefinger hin-und herdrehend, fuhr er fort: »Der Bauernjörg ist kein Mensch der großen Politik oder gar der großen Worte. Auch andere Leidenschaften gehen spurlos an ihm vorbei. Es gibt wohl kaum einen Spaß, mit dem Ihr ihn zum Lachen bringen könntet, kein noch so erlesenes Mahl, das seinen Gaumen mehr erfreuen könnte als eine einfache Schüssel Kraut, kein Weinkeller, der seine Augen dunkel vor Verlangen werden ließe. Sein Herz schlägt nur für eine Leidenschaft: den vollkommenen Krieg, die vollkommene Schlacht. Gebt ihm ein paar Soldaten, und er beginnt, Schachzüge zu planen, wie sie kein gerisseneres Denkerhirn ausbrüten könnte! Er versteht es wie kein anderer, seine Männer bei derSache zu halten, mit abtrünnigen Soldaten macht er genauso kurzen Prozeß wie mit seinen Widersachern. Hat er sie erst einmal wieder eingefangen, werden sie am nächsten Baum aufgehängt und dort hängengelassen, als wirkungsvolle Abschreckung für andere wankelmütige Landsknechte.« Von Lindensteins Augen glänzten fiebrig. Das, wovon er sprach, schien ihn über alle Maßen zu faszinieren. Fast war es, als beneide er den Truchseß um dessen Gaben. Mit noch heißerer Stimme fuhr er fort:
»Nachts, wenn andere schlafen, sitzt er da und plant seine nächsten Züge. Unbemerkt dringt er in die Gedanken seiner Gegner ein, bis er diese besser kennt, als sie selbst es tun. Und noch ehe der nächste Morgen erwacht, weiß er, wo und wie er seine Widersacher treffen kann. Er ist … wie eine große, gierige Katze, deren größtes Vergnügen es ist, die Mäuse nicht nur zu jagen, sondern diese zu überraschen, mit ihnen zu spielen, sie wieder laufenzulassen, bis sie sich fast in Sicherheit wiegen, um sie dann bei nächster Gelegenheit doch tödlich zu verwunden.« Triumphierend blickte er Erzherzog Ferdinand an.
Dieser jedoch sagte nichts.
»Interessant ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, daß es auch in seiner Herrschaft, in Wolfegg, Aufstände von Bauern und Gesindel gegeben hat. Man kann daher davon ausgehen, daß er den Aufständischen gegenüber nicht gerade wohlgesonnen ist, was seiner Kampfesmoral sicherlich weiteren Auftrieb gibt«, fühlte sich Hofmarschall von Blauen verpflichtet den Worten des Städtevertreters noch anzufügen.
Ferdinand, dem dieser – den Sinnesfreuden gegenüber so verschlossenene – Feldherr als ein höchst unerfreulicher Zeitgenosse erschien und der nicht den geringsten Wunsch verspürte, einen so rohen Burschen leibhaftig kennenzulernen, seufzte. »Nun gut. Was bleibt mir anderes übrig, als Eurem Urteil Glauben zu schenken? Laßt diesen Georg von Waldburg kommen, und ich werde ihn zum oberstenFeldhauptmann ernennen. Die Nachrichten, die mich aus dem gesamten Südwesten erreichen, sind mehr als bedenklich.«
Die anderen blickten sich an und dachten daran, daß der Erzherzog die Lage noch um ein Vielfaches bedenklicher einschätzen würde, wenn man ihm alle Nachrichten zukommen ließe. So, wie es war, bekam er nur ausgesuchte Informationen auf den Tisch. Schon lange hatte man sich unter seinen Beratern darauf geeinigt, daß es nichts für die Sache tun würde, den Erzherzog unnötig zu beunruhigen, wo man doch selbst für alles Nötige sorgen konnte.
»Was bleibt uns für eine andere Wahl, als ein schlagkräftiges Heer auf die Beine zu stellen?« Wieder schnaufte Ferdinand, als würde ihm die ganze Angelegenheit körperliche Schmerzen bereiten. »Ach, hätte ich damals, im Herbst, Kardinal Lorenzo Campeggi nur nicht auf Burg Taben, sondern hier im Schloß empfangen! Dann wäre uns allen dieses unrühmliche Fiasko erspart geblieben.«
Die anderen verdrehten die Augen. Nur allzuoft in den letzten Wochen hatte der Erzherzog das gleiche Lied gesungen. Unbeirrt fuhr dieser mit seiner Litanei fort:
»Der Kardinal in höchster Verärgerung abgereist – ohne auch nur ein weiteres Wort über seinen angekündigten Beistand zu verlieren! Ich möchte nicht wissen, was er beim Heiligen Vater im Rom
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