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Die Silberdistel (German Edition)

Die Silberdistel (German Edition)

Titel: Die Silberdistel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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dicken Hühnersuppe auf, der sich noch im Kessel befand. »Das war gut!«
    »Es ist ja auch keine Kunst, eine anständige Speis’ auf den Tisch zu kriegen, wenn genügend Viehzeug und Gemüse im Haus ist. Beten wir zu Gott, daß dieser Überfluß noch viele Winter lang anhalten wird«, erwiderte Lene brummig, doch ihr war anzusehen, daß sie sich über Cornelius’ Lob freute.
    »Ich finde Hühner viel schöner, wenn sie am Leben sind. Immer haben sie was zu gackern und legen Eier. Wenn die Tante Lene sie schlachtet, sind sie auf einmal so still.«
    »Sohn, was redest du da für einen Unsinn?« Verärgert schaute Jerg auf Find, der mit angezogenen Beinen neben ihm auf der Bank saß. »Dir haben die Hühner doch auch geschmeckt. Oder willst du wieder Hunger leiden müssen?«
    Find duckte sich, als erwartete er einen Schlag.
    »So laß ihn doch. Er ist doch nur ein Kind und weiß nicht, was er redet«, zischte Marga und strich Find tröstend über den Kopf.
    »Dann soll er den Mund halten«, entgegnete Jerg, dem es gegen den Strich ging, daß Marga sich regelmäßig auf Finds Seite stellte.
    »So reden Kinder halt«, entgegnete Cornelius arglos. »Kannst du dich nicht mehr erinnern? Als wir Buben waren, habe ich solche Reden geschwungen, und der Vater hat dies gar nicht gemocht. Sogar Namen hab’ ich den Hühnern gegeben.« So tief war er in der Erinnerung versunken, daß er nicht bemerkte, wie es auf einmal ganz still um ihn herum wurde.
    »Das scheint mir nicht die einzige Gemeinsamkeit zu sein, die der kleine Find mit dir hat.« Wie die schärfste Sense durchschnitt Lenes Stimme das Schweigen.
    Marga hielt die Luft an. Der Augenblick, vor dem sie sich die letzten sieben Jahre gefürchtet hatte, war gekommen.
    Die Kinder saßen wie zu kleinen Salzsäulen erstarrt da. Sprach ihre Mutter in einem solchen Tonfall, war es am besten, sich ganz klein zu machen. Sonst konnte man schnell selbst eine Ohrfeige einfangen, das hatte die Erfahrung ihnen zur Genüge gelehrt.
    »Wie – meinst – du das?« Jergs Stimme klang so dumpf, als hielte er sich einen Trinknapf vor den Mund. Mit unbeweglicher Miene wartete er auf Lenes Antwort.
    Diese zögerte. »Nun … so schaut euch den kleinen Find doch nur an …«, kam es schließlich gedehnt. Für einen kurzen Augenblick war sie unsicher, ob sie weiter in dem Hummelnest herumstochern sollte, das sie unachtsamerweise und ohne darüber nachzudenken geöffnet hatte, oder ob es nicht besser wäre, so weit und so schnell davonzurennen, wie die Beine sie tragen mochten. Doch Lene konnte genausowenig aus ihrer Haut wie andere Menschen auch. Sie holte tief Luft. »Was glotzt ihr mich so blöd an«, keifte sie in die Runde. »Ist es nicht wahr, was ich da sage? So schaut doch: hier! Die blonden Haare. Haben sie nicht den gleichen rötlichen Schimmer wie bei Cornelius? Und hier: das Grübchen unter dem Kinn! Genau wie bei Cornelius.«
    Grob riß sie Finds Kopf in die Höhe, der aufheulte wie ein junger Hund, den man in die Seite getreten hat.
    »Selbst seine Reden sind gleich!« Wie ein in die Enge getriebenes Tier schaute sie sich hilflos um. »Jahr für Jahr, Tag für Tag sehe ich den Bastard und muß mir meine Gedanken machen! Ein feines Märchen hat sie sich ausgedacht, das Luder hier«, sie deutete auf Marga, »von einem Findelkind, das am Wegesrand lag. Und alle haben ihr geglaubt!« Sie lachte schrill. »Der eigene Mann in der Verbannung, Cornelius Tag und Nacht auf dem Feld, und Marga im Schutz von Asas Hütte … Kein Wunder, daß niemandem aufgefallen ist, wie ihre Brüste immer größer und runder wurden, und daß sich unter ihrem Hemd die Milch feucht abzeichnete. Aber der alten Lene kann man nichts vormachen!«
    Völlig entgeistert blickte Cornelius sein Weib an. Doch diese bedachte ihn nur mit einem abfälligen Wink, dann wanderten ihre Augen weiter. Triumph lag in ihnen, als ihr Blick bei Jerg angelangt war.
    Dieser erwiderte ihren Blick mit tödlicher Ruhe. »Was, ganz genau, willst du damit sagen?«
    Hätte Lene sich die Mühe gemacht, ihre Mitmenschen besser verstehen zu wollen, dann hätte sie in diesem Augenblick gewußt, daß sie mit ihren Worten ein Erdbeben ausgelöst hatte, welches die ganze Familie in seinem tödlichen Strudel mitreißen würde. So beschlich sie lediglich ein dumpfes Gefühl. Unsicher blickte sie in die Runde.
    »Frag das doch dein Weib!« Forscher, als ihr zumute war, deutete sie auf Marga. Find blickte hilfesuchend zu seiner Mutter, die vor sich

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