Die Silberdistel (German Edition)
Herzog sein Ohr lieh, wenn sich dieser den Ärger mit seiner Gattin Sabina von der Seele reden wollte. Ulrich wußte, daß Hans verschwiegen war wie ein Grab und private Dinge nicht wie die anderen Ritter weitererzählte und ausschmückte.
Doch angesichts der bevorstehenden Jagd waren zumindest für heute der Klatsch, die Intrigen, Streitereien und Eifersüchteleien des Stuttgarter Hofes vergessen.
»Es war eine gute Idee von Euch, hierherzukommen. Die Aussicht auf die heutige Jagd hat es mir sogar erleichtert, meinen Rausch von gestern schneller als sonst auszuschlafen!«rief Hans dem Herzog zu, der sich mit seinem Roß an die Spitze der Gruppe gesetzt hatte. Als Stallmeister hatte Hans nicht nur einen Blick für die besten und vielversprechendsten Pferde, er verstand es auch, aus weniger guten Tieren das Beste herauszuholen. Sehr zum Leidwesen seines Vaters Ulrich von Hutten, der den Sohn lieber im Schoß der Wissenschaften oder der Philosophie als im Sattel eines Vollblüters gesehen hätte.
Ulrich blickte über seine Schulter zurück und erwiderte Huttens Scherz: »Hast ja gestern auch schneller gesoffen als sonst, oder? Aber ehrlich gesagt könnt’ ich schon wieder einen herzhaften Trunk vertragen.« Daraufhin brachen die Männer in allgemeines Gelächter aus, und unter lockerem Geplänkel setzte sich die Truppe in Richtung Wald in Bewegung. Nach einem zügigen Trab von ungefähr zehn Minuten kamen sie an eine kleine, sonnenhelle Lichtung, auf der einige Holzbänke rund um einen Tisch plaziert waren. Dort wurden sie schon von zwei hübschen Schankmädchen erwartet: Markus Jost wußte, wie er seinen Herzog zufriedenstellen konnte, und tat dies nach bestem Können. Denn solange während der herzöglichen Gastbesuche alles nach Ulrichs Wünschen geschah, ließ dieser seinen Verwalter in der restlichen Zeit schalten und walten, wie es diesem paßte …
Nachdem der dritte oder vierte Krug Wein geleert war, versuchte Hutten die Sprache wieder auf den eigentlichen Plan des Tages zu bringen. »Wenn wir jetzt noch weiter saufen, bedarf es bald keiner Armbrust mehr, um das Wild zu erlegen. Die fallen dann schon um, wenn sie uns riechen.«
»Hohoho, das könnten wir doch einmal ausprobieren, vielleicht haben wir eine völlig neue Jagdmethode entdeckt«, brachte Augustin von Brabant zwischen zwei Schlucken Wein heraus. Der rote Saft lief ihm am Kinn herunter, ein paar Tropfen waren auf seinem grünseidenen Jagdrock gelandet, und er hatte sichtliche Mühe, sich auf seinem Rappen zu halten, dem die Warterei schon viel zu lange dauerte und dem derSinn viel eher nach einem ausgiebigen Galopp gestanden hätte!
Hutten wußte, wenn es ihm jetzt nicht gelänge, der Sauferei ein Ende zu machen, würde der Herzog später keinen einzigen Treffer landen und verstimmt wie ein trotziges Kind heimkehren.
»Das würde Euch so passen, mein lieber Augustin! Wir haben jedoch tatsächlich unsere neue Jagdmethode dabei, da werdet Ihr Augen machen!« Mit diesen Worten enthüllte er zwei Eisenrohre, die an einem Ende in eine Art Holzschaft mündeten. Aus dem gleichen Sack, in dem die Handbüchsen verstaut waren, zog er eine Blechdose hervor. Neugierig linste Brabant in die Dose, um den Inhalt auszumachen. Als er außer einem grauschwarzen Pulver und kleinen Kugeln nichts weiter entdeckte, konnte er nicht mehr an sich halten.
»Was ist denn das? Wollt Ihr dem Wild zuerst Pulver in die Augen streuen und es dann mit diesen Rohren totschlagen?« Brabant schüttelte sich vor Lachen, als er Huttens neue Waffen sah.
Ulrich, der für die beiden Handbüchsen, Spezialanfertigungen des besten Turiner Waffenschmiedes, ein kleines Vermögen gezahlt hatte, konnte es nun kaum mehr abwarten, seine Schießkünste unter Beweis zu stellen.
»Hutten, lade die Büchsen, daß wir den Brüdern einmal zeigen, was ein Meisterschütze ist.« Listig blickte er zu Brabant, der sich immer noch vor Lachen bog. »Euch wird das Lachen bald vergehen, wenn Ihr seht, wie aus diesen Büchsen geschossen wird. Werden diese erst einmal auf Feldzügen eingesetzt, nützen Euch Rittern die besten Rüstungen nichts mehr! Pfff – so ein Schuß geht durch jede Rüstung direkt in das Herz des Getroffenen! In Turin wurde uns vorgeführt, wie ein Schuß ein ganzes Kettenhemd in tausend Teile zerfetzte!«
Mit unverhohlener Freude beobachtete er, wie Brabant die Büchsen jetzt argwöhnisch, fast schon ängstlich beäugte.Wie einem Kind, das ein neues Spielzeug entdeckt hat, konnte
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