Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Silberdistel (German Edition)

Die Silberdistel (German Edition)

Titel: Die Silberdistel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
Vom Netzwerk:
Dieser sollteKardinäle, Bischöfe und selbst den Papst als ›schädliche Lehrer‹ und als das ›Geschwärm der römischen Sodoma‹ beschimpft haben. Unglaublich! Abt Richard wollte den Reden des Franziskaners zuerst keinen Glauben schenken, doch dieser wußte erstaunlich viele Einzelheiten aus der Rede jenes Augustiners, so daß doch ein Körnchen Wahrheit darin stecken mußte. Noch heute mußte er fassungslos den Kopf über derartige Ketzerei schütteln! Und genau solche unmoralischen Umstände, solche unziemlichen Unreden wollte Richard mit aller Macht in seinem Refugium verhindern. Der Weg von einem unzufriedenen Mönch zu einem Aufrührer und Ketzer betrug nur wenige Schritte, dies hatte der Abt schon mehr als einmal in seiner langen Ordensangehörigkeit erfahren müssen. Sicher, er hätte auf Bruder Weiland einreden können. Ihn mit gewissen Methoden gefügig machen, seinen Willen brechen und ihn so zu einem gefügigen Werkzeug seines Ordens machen können. Doch nun hatte sich eine andere Lösung ergeben, über die Richard nicht unglücklich war. Sollte sich Weiland doch sein Seelenheil als Dorfpfarrer holen! Schaden für das Kloster konnte er so auf alle Fälle keinen anrichten.
    Von den Gedankengängen des Klostervorstehers hatte Weiland natürlich nichts gewußt. Er war glücklich gewesen, den stickigen Klostermauern entrinnen zu können, und es hatte ihm nichts ausgemacht, diese gegen die ärmliche Behausung von Bruder Matthäus einzutauschen. Doch tief in seinem Innersten war er inzwischen fast ebenso unglücklich wie zu seinen Klosterzeiten. Half er der Landbevölkerung heute einen Deut mehr als früher? Gab es irgend etwas, womit er deren hartes, entbehrungsreiches Leben hätte verbessern können?
    Egal, wie oft Weiland sich diese Fragen auch stellten die Antwort war immer ein klares Nein. Und es würde den Menschen auch nicht helfen, wenn er in seiner Predigt über die neuen Steuern und deren Ungerechtigkeit lamentierte. Nachlangem Hin und Her nahm er sich deshalb vor, bei seiner Osterpredigt tröstende Worte zugunsten der Bibelgeschichte zu opfern.
    Am Ostersonntag hatten sich alle Brauns zum Mittagtisch versammelt. Statt Wein hatte Lene jedem einen Becher Wasser zu den Brotfladen und dem Topf Sauerkraut gestellt, was allerdings eine übertriebene Sparmaßnahme war, denn der Krug Wein fiel bei ihren Ausgaben am allerwenigsten ins Gewicht. Außerdem war das neben einem gelegentlichen Krug Bier das einzige, was sich die beiden Männer leisteten.
    Obwohl Jerg innerlich wegen Lenes Verhalten kochte, versuchte er, sich nichts anmerken zu lassen. Marga zuliebe wollte er den Hausfrieden nicht unnötig stören – es gab eh schon Streit genug in dem kleinen Haus. Wütend tunkte Jerg sein Brot in das Gemüse und schaufelte stumm Bissen um Bissen in sich hinein.
    Auch Cornelius zwang sich, seine Frau nicht vor den anderen zu rügen. Als Familienoberhaupt hätte er ohne weiteres das Recht gehabt, ihr für dieses eigenmächtige Handeln eine ordentliche Tracht Prügel zu verabreichen. Und kaum ein anderer Mann hätte gezögert, genau dies zu tun. Doch er kannte Lene gut genug, um zu wissen, daß dies ihre Art war, mit der verschärften Situation fertigzuwerden. Er allein wußte auch, daß sie sich Nacht für Nacht in den Schlaf weinte. Hätte er sie jemals darauf angesprochen, wäre dies von ihr heftig verneint worden. Seine Frau hatte noch niemals zu den Menschen gehört, die offen zeigten, wie ihnen zumute war. Auch in früheren Jahren hatte man Lene selten einmal laut lachen oder auch weinen gehört. Doch Cornelius hatte es damals geschafft, Risse in ihrem dicken Panzer aufzuspüren. Es war ihm gelungen, hinter ihrem Schutzwall eine Frau zu finden, in die er sich als junger Bursche verlieben konnte…
    Heute aber war der gemeinsame Mittagstisch wieder einmal zu einer schweigsamen, mißmutigen Angelegenheit geworden. Obwohl Lene so tat, als wäre alles wie immer.Cornelius saß mit in Falten gelegter Stirn da und stierte vor sich hin. Marga war so schweigsam wie immer in der letzten Zeit, und selbst Jerg fiel nichts ein, womit er die drückende Stille unterbrechen sollte.
    Doch dann klopfte es plötzlich an die Tür.

10.
    Wenige Stunden später war Jerg wieder einmal auf dem Weg zum alten Friedhof. Dies war das erste Mal, daß er auf solch eine Art zu einem Treffen gerufen worden war. Meist holte Stefan ihn ab, und man ging gemeinsam zum vereinbarten Treffpunkt.
    Vor lauter Aufregung stolperte er über seine

Weitere Kostenlose Bücher