Die Silberdistel (German Edition)
Gelegenheit zu einem Schlagabtausch, und sei es auch nur einer mit Worten, kam ihm gerade recht, um wenigstens etwas von seiner aufgestauten Wut abzulassen! Doch der Fremde schien sich von Jergs Feindseligkeit nicht aus der Fassung bringen zu lassen.
»Ich bin dein Hauptmann vom Armen Konrad! Scheinbar war meine Tarnung eine gute, denn sonst hättest du mich sicher erkannt, nicht wahr?« Ohne auf eine Antwort zu warten, fuhr er fort: »Du kennst mich als Hans, doch mein ganzer Name lautet Bantelhans, und ich komme aus Dettingen. Wahrscheinlich kennst du mich deshalb nicht, denn die Tabener und die Dettinger machen ja von alters her einen weiten Bogen umeinander herum, nicht wahr?«
»Das ist wohl war! Wir Tabener haben für die Dettinger wirklich nicht viel übrig! Und die wahrscheinlich auch nicht für uns«, kam es unsicher zurück.
Wohl wissend, wie wichtig die beiden Dörfer die alten Feindseligkeiten nahmen, hatte Bantelhans mit seiner Anspielung das Eis zwischen ihnen gebrochen. Nachdem Jerg den ersten Schreck hinter sich hatte, beeilte er sich, seine Schlappe von vorhin wiedergutzumachen.
»Der Bantelhans aus Dettingen! Von Euren Heldentaten als Soldat erzählt man sich heute noch!« Er hätte vor Scham im Erdboden versinken können! »Doch sagt, was bringt einen so feinen Herrn wie Euch zum Armen Konrad? « Ganz wollte die Angriffslust noch nicht aus seiner Stimme weichen, als er sich der merkwürdigen Situation bewußt wurde: Da stand er nun gemeinsam mit einem in feinen Zwirn gekleideten Edelmann auf dem Grab eines Bauern!
»Ach, das ist eine lange Geschichte, und im Augenblick gibt es Wichtigeres zu bereden.«
»Ich wüßte nicht, was wir miteinander ›zu bereden‹ hätten! Und überhaupt … Wer sagt mir, daß Ihr wirklich der Hauptmann vom Armen Konrad seid?« Jerg baute sich bedrohlich vor Bantelhans auf, der sich wieder in aller Seelenruhe auf dem Grabe niedergelassen hatte.
»Statt dich hier wie ein angriffslustiger Stier aufzuführen, wäre es vielleicht ganz gut, wenn du einmal deinen Verstand benutzen würdest! Was glaubst du wohl, warum ich hier heute ohne Tarnung erschienen bin? Damit nehme ichimmerhin ein großes Risiko auf mich! Denn woher hätte ich wissen sollen, ob ich dir vertrauen kann?«
»Nun, wie es aussieht, hast du dies wohl einfach angenommen, oder?« Jerg konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Unwillkürlich war er von der förmlichen Anrede zum ›Du‹ übergangen. Dann wurde er ernster. »Nun gut. Angenommen, wir würden uns gegenseitig vertrauen. Was hättest du dann mit mir zu bereden? Und wo sind die anderen?«
Bantelhans wußte nach diesen Worten, daß er zwar eine Schlacht gewonnen hatte, der Krieg aber noch lange nicht vorbei war.
»Was ich mit dir zu besprechen habe, ist vorerst nur für wenige Ohren gedacht. Deshalb muß ich dich auch unbedingt um dein Stillschweigen bitten.«
Wochenlang hatte Bantelhans darüber nachgegrübelt, wen er als seinen Vertrauensmann auswählen sollte, wenn die Pläne des Geheimbundes es erforderten. Mehrere Männer hatte er in der engeren Wahl gehabt. Daß er sich letztendlich dazu entschloß, einen Versuch mit Jerg zu machen, war mehr von seinem Instinkt als von seinem Verstand geleitet worden. Er war sich bewußt, daß er mit Jerg ein Risiko einging. Denn dieser war jung und in vielen Dingen unerfahren, dazu manchmal ein Hitzkopf. Daß sie aus unterschiedlichen Ständen kamen, machte die Sache ebenfalls nicht leichter. Doch dies alles würde durch Jergs Vorzüge wieder wettgemacht, wenn alles so lief, wie Bantelhans es sich vorstellte!
»Du kannst mir vertrauen, Bantelhans. So rede endlich!« Nachdem Jerg beschlossen hatte, daß es nicht schaden könnte, sich einmal anzuhören, was der andere zu sagen hatte, konnte er es kaum abwarten, bis Bantelhans mit seiner Geschichte anfing.
Unvermittelt begann Bantelhans: »Wie du weißt, Jerg, sind seit gestern die neuen Steuern in Kraft getreten. Diese Steuern haben etwas sehr Grundlegendes im ganzen Landverändert. Sie gelten zum ersten Male nicht nur für einen Stand, sondern für alle Menschen gleich: Die Bürger in den Städten, die Kaufleute, die Wirte, die Bauern – jeder muß sie bezahlen! Und so schlimm und ungerecht sie auch sein mögen, im Grunde können wir dem Herzog dafür dankbar sein! Denn damit spielt er uns und unserer Sache direkt in die Hände!« Seine Stimme verriet den Eifer, mit dem er bei der Sache war. Dann grinste er.
»Das ist nicht ganz einfach zu
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