Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Silberdistel (German Edition)

Die Silberdistel (German Edition)

Titel: Die Silberdistel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
Vom Netzwerk:
vielen Treffen auf dem alten Friedhof, aus denen nichts gefruchtet war außer dem heutigen Marsch nach Untertürkheim. Forsch sagte er deshalb: »Vielleicht war ich bisher wirklich nur mit Schwatzbasen zusammen … doch dann ist es höchste Zeit, dies zu ändern, oder?«
    Dettler lachte spöttisch. »Soso, meinst du. Dann setz dich und reich mir deinen Krug. Will zuerst einmal meine Kehle ölen …«Und so kam es, daß Jerg in dieser Nacht mit einem tödlichen Keim infiziert wurde: dem Keim der Besessenheit, der seine Anhänger blind und taub werden läßt gegenüber allen, deren Ansichten von den eigenen auch nur um Haaresbreite abweichen. Noch war es ein klitzekleines Körnchen, von Dettler geschickt in Jergs Herz gepflanzt, das jede neue Idee aufsog wie ein Schwamm.
    Obwohl von den Hauptleuten des Armen Konrad vereinbart gewesen war, nur mit einem Teil der Mitglieder in Untertürkheim anzutreten, waren doch mehr Menschen in der Stadt, als man sich jemals hätte vorstellen können. Der Stadtplatz schien schon am frühen Vormittag aus allen Nähten zu platzen. Und so wurde kurzerhand beschlossen, alles weitere auf den Cannstatter Wasen, vor die Tore der Stadt, zu verlegen. Hocherfreut über den großen Zulauf, den der »geheime« Bund hatte, setzten sich die Hauptleute in Richtung Wasen in Bewegung. Bantelhans, mit an der Spitze marschierend, drehte sich immer wieder ungläubig zu der riesigen Menschenmasse um. Er schätzte die Zahl der Anwesenden auf gute drei-, wenn nicht sogar viertausend Köpfe. Er wandte sich an Hans Vollmar, der neben ihm lief:
    »Wer hätte das gedacht, daß wir hier so was auf die Beine stellen können! Von wegen, die Bauern sind feige Kettenhunde! Dieser Aufmarsch hier wird die Edelmänner eine andere Meinung über die Landbevölkerung lehren!«
    Selbst Vollmar fehlte es an seiner üblichen Zurückhaltung. Begeistert breitete er die Arme aus. »Die vielen Menschen! Sind das nicht Gründe genug, das alte Recht wiederherzustellen?«
    Bantelhans lachte ironisch: »Ob der Herzog diese Gründe überzeugend genug findet?«
    »Wenn er sich nicht im Guten überzeugen läßt, dann lassen wir eben Waffen sprechen!« warf Dettler ein, der zu den beiden aufgeschlossen hatte. »So ein kleiner Lauf durch die Spieße wirkt in der Regel sehr überzeugend …«
    »Du und deine Reden! Mir reicht, was du gestern fast angerichtet hast! Die Leute so aufzuwiegeln. Für Waffengewalt besteht doch überhaupt kein Anlaß! Wir wissen schließlich noch gar nicht, wie Herzog Ulrich auf diese Proteste reagieren wird. Vielleicht sieht er von selbst ein, daß er mit seiner Lotterwirtschaft den Bogen überspannt hat. Doch zuerst müssen wir der Obrigkeit etwas Zeit lassen zu handeln.« Obwohl Bantelhans sich immer noch über Dettler ärgerte, versuchte er, ihn sachlich und ruhig von seiner Sicht der Dinge zu überzeugen. Doch Dettler schien auf diesem Ohr taub zu sein:
    »Ich höre immer nur ›Zeit lassen‹! ›Abwarten‹! ›Auf die Einsicht der Regierung hoffen‹! Frag doch einmal einen Bauern, dessen Familie am Verhungern ist, was er von deinen Vorschlägen hält! Frag ihn einmal, wieviel Zeit er hat! Ich sage: Die Zeit ist reif!«
    Hier meldete sich zum ersten Mal Peter Geiß zu Wort:
    »An Dettlers Worten ist was Wahres dran, Bantelhans. Schau dich doch um im Land: Backnang, Winnenden, Markgröningen – überall sitzen Bauern auf den Bänken, auf denen sich bis vor kurzem Edelmänner und Kaufleute den Hintern plattdrückten! Von Weinsberg bis Blaubeuren – überall wäre die Stimmung gut für einen großen Aufstand!« Sein sonst so vergnügtes Gesicht nahm einen ernsten Ausdruck an: »Nur – wenn wir zu lange warten, überlegt Ulrich sich einen neuen Streich. Und dann kann es für ein Kräftemessen zu spät sein. Oder glaubt ihr allen Ernstes, unser Herzog läßt uns so lange in Ruhe, bis wir genügend Männer zusammen und einen guten Plan in der Tasche haben?«
    Noch während sich auf dem Cannstatter Wasen der riesige Menschenauflauf formierte, waren in Stuttgart Beratungen in Gange, was nun von Amts wegen geschehen sollte. Die ganze Nacht ritten Boten in der Stadt ein und aus, um Nachrichten aus den umliegenden Städten zu bringen und die jeweiligen Statthalter zu informieren. Und so hatten sichschon am frühen Morgen an die zwanzig Städtevertreter samt herzöglicher Berater im großen Saal des Stuttgarter Schlosses eingefunden.
    »Da reitet unsereiner in größter Eile die halbe Nacht hindurch, nur um

Weitere Kostenlose Bücher