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Die Silberdistel (German Edition)

Die Silberdistel (German Edition)

Titel: Die Silberdistel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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wehren.
    »Ich werd’ dir zeigen, was es mich angeht!« spuckte Jost dem Gefangenen haßerfüllt ins Gesicht. »Dir bring’ ich das Singen bei, das verspreche ich dir! Aber ob dir meine Lieder gefallen werden, wage ich zu bezweifeln …«
    Die Kinder, die überhaupt nicht verstanden, wieso ihr sonst so fröhlicher Onkel derart grob von den Soldaten nach draußen gezerrt wurde, schrien nun lauthals, während Lene mit zusammengekniffenem Mund ein paar halbherzige Tröstversuche unternahm.
    »Was in aller Welt werft Ihr meinem Manne vor? Er hat doch nichts getan!« Verzweifelt warf sich Marga Jost in den Weg. »Ich bitt’ Euch, so laßt ihn doch frei!« Sie kniete sich nieder, blickte ihm flehentlich ins Gesicht – und erschrak zuTode. Denn was sie darin sah, waren tiefe Befriedigung und Genugtuung. Er haßt Jerg! Dieser Gedanke war so messerscharf, daß er durch ihr ganzes Bewußtsein schnitt. ›Egal, was ich oder sonst jemand sage oder tue, er wird Jerg mitnehmen!‹ Marga spürte instinktiv, daß es hier um viel mehr ging, als es auf den ersten Blick den Anschein hatte.
    Jost musterte sie, als sei sie eine lästige Angelegenheit, bei der es galt, eine ebenso lästige Entscheidung zu treffen. Dann schob er sie mit dem Fuß beiseite und ging zur Tür.
    »Aus dem Weg, Weib! Hätt’st dich halt besser um deinen Mann kümmern sollen! Dann wär’ er nicht dem Armen Konrad nachgelaufen oder hätt’ unter anderen Röcken Unterschlupf gesucht!«
    Cornelius saß wie gelähmt da. Schon lange hatte er mit der Angst gelebt, daß Jergs flinkes Maul und sein aufbrausendes Wesen ihm irgendwann zum Verhängnis würden, daß Soldaten kommen und Jerg mitnehmen würden. Er hörte, wie seine Schwägerin den Männern etwas nachrief. Aufschluchzend war sie mit nach draußen gelaufen. Schweren Schrittes ging Cornelius ebenfalls ins Freie. Doch die Männer waren schon in der Dunkelheit verschwunden. Nur noch Jergs Ketten, die bei jedem Schritt klirrten, waren zu hören.
    Jerg hatte Glück im Unglück. Kaum waren der Burgverwalter und seine Soldaten mit ihrem Gefangenen auf der Burg angekommen, wurde Josts Aufmerksamkeit durch das Erscheinen eines herzöglichen Boten in Anspruch genommen. So blieb Jost keine Zeit, um mit Jergs Befragung zu beginnen. Statt dessen ließ er ihn in den Turm der Burg sperren.
    Der Bote aus Stuttgart hatte den Befehl, sämtliche sechzig auf der Burg befindlichen Männer gleich mit in die Hauptstadt zu nehmen, und wartete ungeduldig auf deren Aufbruch. Die ganze Nacht hindurch hörte Jerg lautes Geschrei und den Hufschlag vieler Pferde, doch konnte er sich keinen Reim darauf machen. Durch die vergitterten Eisenstäbe derobenliegenden Fensterluken kroch das Flackern von unzähligen Laternen in die feuchte Dunkelheit des Verlieses, doch lagen die Fenster zu hoch, als daß Jerg einen Blick auf das Treiben im Innenhof der Burg hätte werfen können. Er war todmüde, und seine Handgelenke schmerzten an den Stellen, wo sich die Ketten eingegraben hatten. Und doch konnte er um nichts in der Welt schlafen. Er dachte an Marga und Cornelius und an das Erlebte in Untertürkheim. Bantelhans kam ihm in den Sinn, und im nächsten Moment hörte er Dettler, wie er seine Rede schwang. Die Bilder in seinem Kopf verschwammen. Für einen kurzen Augenblick schloß er die Augen.
    Als er sie wieder öffnete, sah er Sureya vor sich stehen. ›Ich werde verrückt‹, war sein erster Gedanke. Er hatte schon von armseligen Gestalten gehört, die in Gefangenschaft den Verstand verloren hatten, doch hätte er nicht geglaubt, daß dies so schnell passieren könne. In der Hoffnung, der Geist vor ihm möge wieder verschwinden, rieb er sich mit dem Handrücken über die Augen. Doch als er sie abermals öffnete, begann der Geist zu sprechen.
    »Glotz nicht, als ob du ein Gespenst vor dir hättest! Ich bin’s in Fleisch und Blut!«
    Das ausgeweidete Wildschwein vor Sureyas Tür kam Jerg in den Sinn. »Haben sie dich auch eingesperrt?«
    »Mich – eingesperrt? Gott bewahre! So dumm bin ich nicht, daß ich mich einsperren lasse!« Sureya stieß ein hämisches Lachen aus. Erst jetzt erkannte Jerg, daß sie statt der alten Lumpen ein neues, aus feinem Garn gewirktes Gewand trug. Auch ihre Haare waren anders: Statt herunterhängender, verfilzter Locken trug sie eine dicke, am Kopf anliegende Flechtfrisur, durch die ihr eigenwilliges Gesicht noch stärker zur Geltung kam als früher.
    »Was machst du dann hier? Woher weißt du, daß ich hier

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