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Die Silberdistel (German Edition)

Die Silberdistel (German Edition)

Titel: Die Silberdistel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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gehen. Aber war das alles überhaupt so wichtig? Immer öfter ertappte er sich dabei, wie er über sein Leben als Bauer nachdachte: die gemeinsame Arbeit auf dem Feld, die zwar mühselig war, aber einen Mann abends mit gutem Gefühl zur Ruhe kommen ließ. Die Familie, die während seiner Gefangenschaft alles versucht hatte, um ihn wieder freizubekommen. Und zu guter Letzt: Marga. Mit ihrem honiggelben Haar, ihren dunkelblauen Augen ohne eine Spur von Argwohn oder Heimtücke war sie im Gegensatz zu gewissen anderen Frauen ein Weib, wie man es sich nur wünschen konnte. Sicher, sie waren arm, und es war oft nicht leicht, alle Mäuler sattzukriegen, aber war das nicht immer so gewesen? Hatte nicht das Leben der Bauern auch früher schon nur aus Mühsal und Pein bestanden? Wahrscheinlich waren die alten Gesetze auch nicht besser gewesen als die jetzigen, ging es ihm durch den Kopf.
    Zu seiner Linken lag Burg Taben, über die er hastig hinwegblickte. Soweit er schauen konnte, zeichnete sich der Albtrauf dunkel gegen den weißblauen Himmel ab. Jeden Baum und jeden Strauch konnte man erkennen, was für gewöhnlich ein Zeichen dafür war, daß schlechtes Wetter aufzog. Etwas weiter rechts erhob sich ein Hügel, das sogenannte »Köpfle«, von dem es einen Aufstieg zu einer noch höher gelegenen Burgruine gab. Mit einer eigentümlichen Befriedigung betrachtete er diese. Einst hatte sie einem sehr mächtigen Adelsgeschlecht, den Herren zu Hohenfried, gehört. Alte Erzählungen handelten immer wieder von den Grausamkeiten der Hohenfried’schen Fürsten gegenüber der Landbevölkerung. Doch lagen diese Geschehnisse viele, viele Jahre zurück, und von der Burg und ihren Bewohnern war nicht viel übrig geblieben. Wer nicht an Geisteskrankheit, Wahnsinn oder Keuchhusten gestorben war, den hatte die Pest im Jahre 1456 dahingerafft.
    Sorgte nicht die Natur selbst für eine ausgleichende Gerechtigkeit? Plötzlich kamen Jerg Zweifel am Armen Konrad . Nach den zwei Wochen Einsamkeit im Gefängnis waren seine Überzeugung und sein Wille zum Weitermachen stärker gewesen als je zuvor! Doch nun, wieder im gewohnten Alltagstrott, stellte er fest, daß er diesen nicht wie früher als eintöniges Dahinsiechen empfand, sondern als eine Art Befreiung. Urplötzlich kam ihm Dettler in den Sinn. Vielleicht war er gar kein Zauberer mit Worten, sondern ein Scharlatan, der die Leute mit seinen Reden einlullte?
    Und dann stand auf einmal sein Entschluß fest: Morgen, spätestens aber übermorgen würde er nach Dettingen gehen und Bantelhans sagen, daß er nicht mehr auf ihn zählen solle!

16.
    Während Jerg darüber nachsann, was er in Zukunft tun und was er lassen sollte, wußte Herzog Ulrich ganz genau, was er wollte: Rache. Wenn möglich an jeder einzelnen Seele, die in irgendeiner Form an den Aufruhren der letzten Wochen, die er als persönliche Beleidigung auffaßte, beteiligt gewesen war. Da dies unmöglich war, wählte er die seiner Meinung nach zweitbeste Lösung der Vergeltung: Nach seinen Worten wollte er ›die Wurzel des Übels beseitigen‹, welche er im Remstal, oder genauer gesagt in Schorndorf, begraben sah. Waren seine Beamten dort nicht bei jeder Verkündung neuer Steuern oder Gesetze verspottet und verhöhnt worden? Als er selbst vor zwei Wochen dort erschienen war, um sich anläßlich der Bekanntmachung des Tübinger Vertrages huldigen zu lassen, hatten einige Bauern sogar versucht, ihn vom Pferd zu ziehen! Ein tätlicher Angriff auf den Herzog – soweit war es mit Württemberg gekommen! Von nur zwanzig Reiternflankiert, war ihm damals keine andere Wahl als ein hastiger Rückzug aus der Stadt geblieben. Gedemütigt bis auf die Knochen hatte er sich jedoch geschworen, daß sein nächster Besuch bei den Schorndorfern anders aussehen würde!
    Es war später Abend, als die Späher auf den Türmen der Stadtmauer eines gespenstischen Anblickes gewahr wurden: Ein Heer von Reitern, von Kopf bis Fuß gepanzert und bewaffnet, näherte sich zielstrebig dem Haupttor der Stadt. Das Klirren eingeschienter Pferde, deren Huftritte von aufeinanderschlagendem Eisen begleitet waren, das dunkle Gemurmel unzähliger Stimmen, das Kreuzen von Lanzen, Speeren und Spießen – zusammen ergab dies alles die Sprache der Vernichtung, deren Klang die Bewohner von Schorndorf schon längst vergessen wähnten. Zu beiden Seiten des Zuges spendeten Fackelträger Licht und ließen schon von weitem erkennen, wer an der Spitze voranritt: Es war kein geringerer als

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