Die Silberdistel (German Edition)
beeilte, seinen Block auf dem unebenen Lehmboden zu befestigen. Hastig traten die zuvorderst stehenden Zuschauer ein paar Schritte zurück, um ja nicht mit dem Henker oder seinem blutroten Mantel in Berührung zu kommen. Denn das hieße, genauso unehrenhaft zu werden wie der Henker selbst. Buhrufe begleiteten jede seiner Bewegungen. Als er sein blankes, silberglänzendes Beil aus einem schwerem Ledersack zog, ging ein erschrockenes Raunen durch die Menge. Wie aber Fliegen das Licht einer flackernden Ölfunzel suchen, so konnten sich die Menschen, kaumder Gefahr des eigenen Todes entronnen, dem Bann des grausamen Schauspiels nicht entziehen.
Es war Mitternacht, als die erste Todesstrafe durch das Fallbeil vollzogen wurde. Ein vor Todesangst winselnder junger Mann, der von Geburt an eine offene Hasenscharte trug, war das erste Opfer. Hätte man ihn Kaspar Pregitzer oder einem anderen Hauptmann des Armen Konrad vorgestellt, so hätten diese sicherlich weder mit seinem Namen noch mit seiner Person etwas anzufangen gewußt. Doch obwohl er stotternd seine Unschuld beteuerte, wurde er von Ulrich, der die Hälfte des Gebrabbels nicht verstand und nicht verstehen wollte, als einer der Haupträdelsführer verurteilt.
Das Schluchzen des jungen Mannes erinnerte an das Heulen eines jungen Wolfes, der in der Dunkelheit nach seinen Artgenossen ruft. Es ließ die Menge erschauern. Mit einem einzigen Schlag trennte der Henker den Kopf des Verurteilten von dessen Rumpf. Diejenigen, die in vorderster Reihe standen, konnten im Licht der Fackeln das dunkelrote Blut erkennen, das fontänenartig aus der Halsschlagader des Toten schoß.
Noch drei Mal gab der Herzog in dieser Nacht dem Scharfrichter das Zeichen, noch drei Mal rollten zum glückseligen Entsetzen der Menge die Köpfe. Danach fegte Ulrich die Papiere zur Seite und stieg ungelenk auf seinen Richtertisch. Bei seinem Anblick verstummten die Menschen.
»Ihr Bürger von Schorndorf, hört genau hin, was euch euer Herzog zu sagen hat! Leider habe ich in der Vergangenheit erkennen müssen, daß in dieser Stadt eine schlimme Seuche ihr Unheil treibt!«
Er hielt inne und wartete, bis sich das aufgeregte Murmeln der Menge wieder beruhigte. »Eine Seuche mit dem Namen Ungehorsam! Eine Seuche, so schlimm wie der Schwarze Tod. Doch statt die ganze Stadt anzuzünden und auszuräuchern, hat euer Herzog in seiner endlosen Mildtätigkeit nur dieses Strafgericht abgehalten, für das ihr ihm dankbar sein könnt!«
Betretenes Schweigen.
»Diesen Dank möchte ich jetzt und hier hören. Huldigt eurem Herzog! Huldigt dem Tübinger Vertrag, der für Ruhe und Ordnung im ganzen Land sorgen wird! Und dankt Gott für einen so gerechten und umsichtigen Landesvater!«
Die versammelte Menschenmenge kniete nieder, während der herzögliche Zeremonienmeister den Tübinger Vertrag vorlas.
»Es lebe der Herzog!« »Es lebe der Herzog!« »Es lebe Herzog Ulrich!« Aus tausend Kehlen erschallten Lobrufe auf den Mann, der die Stadt so gewalttätig geschändet hatte. Mit tiefer Befriedigung blickte er um sich. Genau dies hatte er sich sein Leben lang gewünscht. Ein Blutbad war nötig gewesen, um seinen Wunsch in Erfüllung gehen zu lassen: Vom heutigen Tage an war er der gefürchtetste Herzog, den das Land bisher gekannt hatte. Hinter vorgehaltener Hand nannte man ihn nur noch den Herzog und Henker von Württemberg.
Zwei Tage später führte er einen weiteren Richttag durch, diesmal in Stuttgart, der Stadt, in der er einen weiteren Großteil der Rädelsführer vermutete. Auch hier mußten zehn Männer nach Ulrichs Rechtsprechung sterben. Die abgeschlagenen Köpfe ließ er aufspießen und auf die Türme am Hauptstätter Tor sowie am Spitalsturm mit folgenden Worten anbringen: »… auf daß die Spitzbuben im Lande schon von weitem sehen, was es bedeutet, einen Herzog zu erzürnen«. Hunderte wurden auf ewig ins Verlies geworfen. Andere wurden zu solch hohen Geldstrafen verdammt, daß sie Haus und Hof dabei verloren, dafür aber wenigstens ihr Leben retteten. Während der ganzen Zeit thronte Ulrich mit versteinerter Miene auf seinem Richterstuhl, als handle es sich um eine gewöhnliche Entrichtung von Fronabgaben, die er in Empfang zu nehmen hatte. Nachdem er endlich mit dem Ausmaß seiner Rechtsprechung zufrieden war, kehrte er Stuttgart den Rücken und ritt mit seinem Troß in die nächste Stadt. Undin die nächste. Hilfstruppen von nah und fern flankierten Ulrichs eigene Fähnlein. Nur zu gerne hatten die
Weitere Kostenlose Bücher