Die Silberdistel (German Edition)
Dorfplatz getrieben und tagelang befragthatten? Als die Soldaten weg waren und das Getreide goldgelb auf den Feldern stand, hieß es, Kranke zu versorgen und Tote zu begraben. Am Ende waren die Kornkammern um die Hälfte weniger gefüllt als in guten Jahren davor. Bei diesem erbärmlichen Anblick wußte jeder, was dem Dorf in diesem Winter drohen würde. Und doch konnte keiner die erneute Hungersnot aufhalten, geschweige denn etwas dagegen tun. Cornelius und seine Familie waren allerdings bisher vom Schlimmsten verschont geblieben, und ich betete jeden Tag, daß es dabei bleiben sollte.
Diese Zustände konnten nicht von Gott gewollt sein, dieser Gedanke schlich sich immer öfter in unsere Köpfe ein. Mochte auch keiner laut aussprechen, was so ungeheuerlich anmutete, gedacht haben wir in diesem grausamen Winter alle das gleiche.
Nachdem es mir wieder besser ging, wurde Asas Sitzbank zu meinem Lieblingsplatz. Hier konnte ich ganze Tage mit einer Handarbeit auf dem Schoß verbringen und das Geschehen auf der Straße beobachten. Nicht, daß es viel zu sehen gab. Das ganze Dorf schien wie ausgestorben zu sein, wer nicht unbedingt vor die Tür mußte, blieb drinnen und schonte seine Kräfte. Immer wieder fiel mein Blick auf Sureyas Hütte, die langsam, aber sicher zerfiel.
»Sag, Asa, findest du es nicht sonderbar, daß Sureya zur gleichen Zeit, als der Jost den Jerg in den Turm geworfen hat, auf die Burg gezogen ist?«
»Auf was willst du hinaus?«
»Kannst du dich daran erinnern, ob der Jerg in einer der Nächte davor bei der Hure war?«
»Ach so, da liegt der Hund begraben! Nun, um ganz ehrlich zu sein, ist mir dieser Gedanke auch schon gekommen.«
»Ja, und? Jetzt red halt schon! War Jerg davor bei Sureya oder nicht?«
Asa kniff wütend den Mund zusammen. »Und ob er das war! Und einen Abend später kreuzt der Jost bei Sureya aufund nimmt sie mit auf die Burg! Gerade so, als wolle er sie für ihre treuen Dienste belohnen!«
Für einen kurzen Augenblick schwiegen wir beide. Sureyas Verrat war so unglaublich, daß es einer Zeitlang bedurfte, um ihn als Wahrheit hinzunehmen.
»Ich könnte das Weib umbringen! Ihr den Hals zudrehen, ihre verfilzten Haare herausreißen, bis sie vor Schmerzen schreit! Aber das würde den Jerg auch nicht wieder zurückbringen. Nicht genug, daß er es mit der Hure treiben mußte – nein, genausowenig konnte er sein Maul halten!« Rastlos lief ich im Zimmer auf und ab.
»Ich kann deine Wut sehr gut verstehen, Marga. Aber meiner Meinung nach hat Sureya ihre Strafe schon bekommen.« Erstaunt blickte ich auf und sah Asa hämisch grinsen.
»Jede Nacht auf seidenen Laken zu verbringen, zum Morgenmahl ein fettes Huhn zu verspeisen – darin kann ich beileibe keine Strafe erkennen! Tut mir leid!«
Darauf grinste Asa noch vergnügter. »Du weißt ja auch nicht, was ich weiß, meine Liebe! Aber da ich deine Freundin bin, will ich gnädig sein und es dir verraten …«
In diesem Augenblick hätte ich neben Sureya auch Asa umbringen können! Dies war mir scheinbar anzusehen, denn Asa beeilte sich, des Rätsels Lösung zu verkünden. Sie gluckste: »Seidene Laken mögen ja ganz nett sein – aber wenn du nur einmal Josts Hintern sehen würdest, wären dir die schönsten Laken der Welt egal! Mit Warzen übersät ist der! Eine Schwiele nach der andern! Und aus seinem Loch hängen fingerdicke Geschwüre heraus, igitt! Ich hab’ schon viel gesehen, das kannst du mir glauben, aber das? Pfui Teufel!«
Während ich diese interessante Nachricht verdaute, kicherte Asa erneut los.
»Dafür ist sein Schniedel nicht größer wie der Finger eines Kleinkindes! Hihihihi, ganz betrübt ist er deswegen. War schon bei mir und hat nach einem Wundermittel gefragt, welches sein bestes Stück wachsen läßt. ›Nun‹, habe ich zu ihmgesagt, ›dafür gibt es schon ein Mittel, aber der Mann muß selbst etwas dafür tun, daß es auch wirklich wirkt‹.«
Ich starrte Asa ungläubig an. Was man als Heilerin alles zu sehen bekam! »Und? Was für ein Mittel hast du ihm gegeben?«
»Eins? Zwei Mittel hab’ ich ihm gegeben!« Listig blickte sie mich an. »Du kennst doch diese bittere Wurzel, die ganz links im Schrank neben den Gerstensäckchen hängt?«
Zustimmend verzog ich das Gesicht zu einer angewiderten Grimasse.
»Nun, davon hab’ ich ihm ein Pulver zubereitet und ihm geraten, dieses jedesmal einzunehmen, wenn er mit einem Weibe liegen will.«
»Ja, nützt dieses Mittel denn etwas, oder schmeckt es nur
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