Die Silberdistel (German Edition)
nach dieser Anstrengung der Schweiß in kleinen Rinnsalen über die Stirn, die ich verstohlen abzuwischen versuchte. Hätte Asa diese Zeichen meiner körperlichen Schwäche erst einmal bemerkt, wäre ich vor ihren bitter schmeckenden Gesundheitstees nicht mehr sicher gewesen! Der Marktverwalter war der gleiche wie im Jahr zuvor. Nachdem er einige Zeit sehr wichtig in seinen Unterlagen kramte, bekam ich einen recht manierlichen Platz zugewiesen, wofür ich mich mit einem liebreizenden Augenaufschlag bedankte, der mir jedoch gleich einenmißbilligenden Seitenblick von Asa eintrug, die von solch weiblichem Getue nichts hielt.
»Ich werd’ noch zu einem richtigen Marktweib! Letztes Jahr stand ich mit den Strohpuppen da, und heute?« Während ich den Inhalt unseres Leiterwagens auf den Tisch hievte, ließ ich genüßlich meinen Blick über das bunte Treiben wandern.
»Das mag ja für dich alles schön und gut sein! Aber ich, eine Heilerin! Stehe auf dem Markt wie ein gewöhnliches Fischweib! Hat die Welt so etwas schon einmal gesehen?« brummte Asa und packte mürrisch eine Anzahl kleiner Tiegel und Töpfchen aus. Doch heute konnte mir niemand meine gute Laune verderben, Asa am allerwenigsten.
»Hör auf zu jammern, du altes Kräuterweib! Wer war es denn, der mich auf diese Idee gebracht hat, häh? Das warst doch du, liebe Freundin! Ohne dich säße ich immer noch in deiner Stube und würde Däumchen drehen!«
»Und genau dort sollte ich auch sitzen! Ach, was habe ich mich nur von dir zu dieser Tollheit überreden lassen!« Mit einer Geste der Verzweiflung, die jedoch nur komisch auf mich wirkte, warf sie beide Hände über dem Kopf zusammen. Ich mußte lachen.
»Asa, jetzt werde ich aber böse! Wie kannst du von einer Tollheit reden? Nicht in jedem Dorf gibt es eine Heilerin! Deshalb können die Leute jetzt hier deine Salben kaufen und sind so für den Krankheitsfall bestens gerüstet! Du wirst schon sehen, wie dankbar die Menschen deine Kräutertees und Tinkturen annehmen werden!« Während ich versuchte, Asas letzte Zweifel zu zerstreuen, wurde ich allerdings selbst immer aufgeregter. Würden die Leute wirklich etwas kaufen? Vor allem: Würden die Leute die Ware kaufen, die ich feilbot?
Vor mir auf dem Tisch stapelten sich unzählige Paar Strohschuhe, die ich in den letzten zwei Wochen angefertigt hatte. Was sich hier in einem goldgelben Haufen auftürmte,bedeutete für mich viel mehr als nur Ware, die man feilbot. Für mich stellten diese Schuhe einen Weg dar, zum ersten Mal in meinem Leben selbst für mich sorgen zu können! Sicher, Cornelius hätte mich nicht verhungern lassen, aber ich wollte nicht länger auf ihn oder Asas Großzügigkeit angewiesen sein. Was diese mir in den letzten Monaten an Pflege hatte angedeihen lassen, konnte ich sowieso niemals gutmachen. Wochenlang hatte ich über einen Weg nachgedacht, wie ich mich nützlich machen konnte. Doch was sollte ich tun? Ich war eine Bäuerin ohne Hof und Land. Außer den Acker bestellen und in Haus und Hof behilflich zu sein konnte ich doch nichts!
»Doch«, hatte Asa eines Abends zu mir gesagt, als ich wieder einmal laut über mein zukünftiges Schicksal nachdachte, »du kannst noch etwas! Denk doch nur an die Puppen, die du aus Stroh herstellst! Das ist doch ein feines Handwerk!«
Ich entgegnete Asa, daß dies jedoch nichts sei, womit ich mir mein Leben verdingen konnte. Wer würde immer noch ein paar Heller für Puppen und Strohtierchen ausgeben, wo die Leute doch kaum mehr etwas zum Essen kaufen konnten! Doch Asa wäre nicht Asa, wenn sie es dabei belassen hätte! Ohne weitere Erklärung verschwand sie hinter dem Leinenvorhang im Schlafteil ihrer Hütte, um kurze Zeit später mit einem Paar Schuhe aus Stroh in der Hand dazustehen. Solche Schuhe hatte ich noch nicht gesehen! Bei uns im Dorf liefen die Menschen meistens barfüßig herum. Wer es sich leisten konnte, trug ein paar lederne Treter vom Schustermeister. Aber Schuhe aus Stroh?
»Das ist des Rätsels Lösung, Marga! Du bist fingerfertig und kannst aus Stroh reine Kunstwerke zaubern. Da dürften dir solche Schuhe doch gar keine Schwierigkeiten bereiten. Und die Menschen brauchten endlich nicht mehr barfüßig herumlaufen, denn ein paar Schuhe aus Stroh kann sich schließlich jeder leisten, oder?«
Bewundernd blickte ich von Asa zu den Schuhen und dann wieder zu Asa, die sie vor Jahren einmal von einemvorbeiziehenden Händler gekauft und dann vergessen hatte. Sie hatte recht! Die Lösung
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