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Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)

Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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ein Betrüger, ein ganz windiger Halsabschneider! Es war eine Schande! Ich ballte vor lauter Zorn die Fäuste. Ein Medicus hatte die Verpflichtung, den Menschen zu helfen! Hiltprand zog unsere ganze Profession in den Schmutz. Wer würde noch Vertrauen zu einem Arzt haben, wenn er einmal an solch einen Quacksalber geraten war? Kein Wunder, dass dieser Kerl mich von sich fernhalten wollte – er fürchtete, dass ich ihn entlarven könnte.
    Mir war der Spaß vergangen. Nicht einmal das herzerweichende Gejaule von Schnuff, dem singenden Hund, konnte mich recht aufmuntern. Ich schlenderte unentschlossen weiter, dorthin, wo die Leute immer dichter standen, und drängte mich durch. Um den Brunnen standen und saßen die Zigeuner, Ezzo und Ciaran, Pirlo und Schwärzels Frau. Alle hatten sie Instrumente bei sich: Die Zigeuner Fiedel, Trommel, Schellen und Rankett, Ezzo eine Flöte, Ada ein Scheitholt und Pirlo eine Bassfiedel. Ciaran saß mit seiner Harfe etwas abseits. Es war ein wunderschönes Instrument mit Intarsien aus Ebenholz und weißem, manchmal grüngefärbtem Elfenbein, wie er mir später einmal erklärte. Die Einlegarbeiten bildeten auffällige Muster: Rauten, Herzen, Kreise und Dreiecke. Es war einmal zerbrochen gewesen, das konnte man an manchen Stellen sehen, aber Ciaran hatte es mühe- und liebevoll wieder heil gemacht. Kein Wunder, dass er die Harfe hütete wie seinen Augapfel. Ich schlängelte mich zum Brunnen hinüber und setzte mich zu ihm auf die Stufen. Er lächelte mir zu, als auch schon die Musik begann.
    »Pirlo spielt auf der Bassfiedel den Bordun«, begann Ciaran zu erklären. »Das ist ein Grundakkord, der sich immer wiederholt. Darüber legt jetzt Jacko mit seiner kleinen Fiedel die Melodie, hörst du’s?«
    Ich fühlte mich wie verzaubert! Allein schon die Instrumente, die immer wieder wechselten! Da waren die Zupfleier, die Ciaran spielte, die Pommer und das Krummhorn. Ezzo beherrschte außer der Flöte noch die Rotte, eine dreieckige Brettzither, die wie feines Vogelzirpen klang. Und später humpelte Finus noch mit einer Drehleier hinzu. Auch diese erklärte mir Ciaran: »Mit der rechten Hand dreht Finus die Kurbel, siehst du? Diese Kurbel bewegt eine Holzscheibe, an der die Saiten anliegen. Dadurch werden die Saiten in Schwingung versetzt. Die Leier macht so einen schnarrenden Grundton, der sich durchs ganze Lied zieht, und darüber spielt Finus mit der linken Hand auf den Tasten die Melodie. Das ist wie zwei Instrumente.«
    Die Fahrenden spielten mitreißend fröhliche Lieder, deren Rhythmus den Leuten sofort ins Blut überging. Bald tanzten die Siegburger den Reigen, sprangen und hüpften so übermütig herum, wie es ihre spitzen Schnabelschuhe zuließen. Auch ich konnte kaum stillhalten. Es war das erste Mal, dass ich solche Klänge hörte – sie klangen so ganz anders als unsere wehmütigen jüdischen Lieder. Und ich wunderte mich über mich selbst, was das mit mir anstellte. Ezzo, der bemerkt hatte, wie mir die Musik in die Beine fuhr, fasste mich an der Hand und zog mich mit unter die Tanzenden. O Adonai, dachte ich, ich kann das doch gar nicht! Ich wollte mich wehren, aber er drehte und schwenkte mich, fasste mich um die Hüften, lenkte meine Schritte – und plötzlich tanzte ich! Es war herrlich! Ich gab mich den Tönen hin, stampfte zur Trommel, wiegte mich zur Fiedel, bis ich ganz schwindelig war.
    Dann, als alle müde getanzt waren, hörte die wilde Musik auf. Ciaran lehnte sich gegen den Brunnenrand und machte den Leuten ein Zeichen, dass sie sich auf den Boden setzen sollten. Dann begann er, mit seinem angenehm fremdartigen Zungenschlag zu erzählen.
    »In dem Land, aus dem ich komme, Ihr Leute, gibt es ein kleines Volk, das heißt Lepreachaun. Sie haben einen König mit Namen Jubdan. Sein stärkster Untertan zeichnet sich dadurch aus, dass er eine Distel mit einem Hieb umhauen kann. Alle Lepreachauns sind hässlich und nur so groß wie ein Kind von zwei Jahren, meistens noch kleiner. Ihre Gesichter sehen aus wie verschrumpelte Äpfel. Immer tragen diese Zwergenleute eine Lederschürze, denn sie sind Schuster – Lepreachaun heißt in Eurer Sprache Einschuhmacher! Aber sie machen immer nur einen Schuh und nie einen zweiten dazu. Über der Schürze tragen sie einen grünen Mantel, und auf dem Kopf haben sie stets einen roten Hut, daran kann man sie erkennen. Und an ihrer Hinterhältigkeit! Sie foppen die Menschen gern und halten sie zum Narren. Trotzdem sind die Leute in meinem

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