Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)
war, erinnerte ihn der Anblick einer Burg an seine Kindheit und daran, dass da noch eine Rechnung zu begleichen war. Aber noch war er an die Königin gebunden. Sein Schwur, ihr als Ritter zu dienen, galt auf drei Jahre. Kurz nachdem er Hals über Kopf von Budapest fortgeritten war, hatte Barbara von Cilli ihm einen Boten nachgeschickt. Der Mann hatte ihm einen schweren Silberring mit dem Siegel der Königin übergeben, zusammen mit zwei von ihr eigenhändig verfassten Schreiben. Das erste war an Ezzo selbst gerichtet; es enthielt eine leidenschaftliche Liebesbeteuerung und einen Auftrag. »Du mögest« , so hatte Barbara geschrieben, »mein heimblicher Fürsprech in den teutschen Landen sein. Schaff mir das Vertrauen von Kirche, Adel und Städten und versprich ihnen dafür Geld und Landt. Es wirdt die Zeyt kommen, da mich der König nit mehr in Gnaden helt. Schon hat er gedrohet, mich in einer böhmischen Burg verrotten zu laßen. Daß dieß niemals gescheen mög, dafür brauch ich mächtige Freunde im gantzen Reich. Du sollst mir diese Freunde werben … Verprenn dießen Brief, wenn er gelesen ist. In Lieb biß wir uns wiedersehn, geh mit Gott, Barbara.«
Das zweite Schreiben war eine Urkunde, in der Barbara bei Bischöfen, Klöstern, Adeligen und Städten für ihre Sache warb, sie um Unterstützung ansuchte und ihnen dafür Gegenleistungen versprach.
So war Ezzo denn als fahrender Ritter im Land umhergezogen, hatte versucht, seine Aufgabe nach bestem Wissen und Gewissen zu erfüllen und regelmäßig Bericht nach Buda erstattet. Als geheimen Boten der Königin hatte man ihn überall empfangen, auch wenn sein vorsichtiges Werben um Zustimmung nicht immer von Erfolg gekrönt war. Immerhin, es gab genug Adelige, Beamte und kirchliche Würdenträger des Königs, die es nicht schädlich fanden, sich die Königin gewogen zu halten.
Nach einigen Monaten, in denen Ezzo allein unterwegs war, hatte er zufällig Pirlos Truppe getroffen und sich ihr angeschlossen. Zum einen fühlte er sich auf seiner Reise doch recht einsam, und zum anderen waren die Gaukler eine gute Tarnung, falls sein Auftrag ruchbar würde und man ihn verfolgte. Schnell schloss er Freundschaft mit Ciaran, der schon vor ihm mit den Spielleuten durch die Lande gezogen war, und mit der Zeit genoss er das freie Leben der Fahrenden immer mehr. Es brachte Abwechslung und Kurzweil und ließ ihn seine unglückliche Liebe vergessen.
Jetzt fragte Ezzo mit vollendeter ritterlicher Höflichkeit am Burgtor an, ob die fahrenden Spielleute willkommen seien, und erhielt vom Grafen von Drachenfels sofort eine Einladung. Es geschah selten, dass die Truppe weggeschickt wurde, und dann war meistens ein Trauerfall oder die Abwesenheit der Herrschaft Grund dafür.
Der Wagentross der Fahrenden rollte in den Zwinger ein, und das Lager wurde gleich neben der Rossschwemme eingerichtet. Die gräfliche Familie bat für den Abend um ein erbauliches Schauspiel und ließ nachfragen, ob man denn das Schauspiel »Sigismunda, die Tochter des Fürsten von Salerno« kenne, das Lieblingsstück der Gräfin.
Das Ansuchen führte zu fieberhafter Unruhe unter den Schauspielern. Natürlich kannte man die beliebte »Sigismunda«, aber die Rolle der Fürstentochter spielte sonst immer Finus, der dummerweise immer noch nicht laufen konnte. Sara wunderte sich: »Warum spielt denn nicht eine der Frauen die Sigismunda?«
Gutlind schüttelte grinsend den Kopf. »Das geht doch nicht, Schätzchen, wie stellst du dir das vor? Frauen dürfen nicht auf der Bühne spielen.«
»Ja, warum denn?«
»Keine Ahnung. Ist einfach nicht erlaubt. Hab ich auch noch nie gesehen.« Gutlind zuckte mit den Schultern. »Wieso weißt du das nicht, hm?«
Sara erfand eine Ausrede. »Ich durfte früher nie zu solchen Stücken gehen«, sagte sie und hoffte, dabei nicht rot zu werden. »Meine Familie war immer sehr streng mit mir.«
Inzwischen hatten sich alle vor Pirlos Wagen versammelt.
»Schnuck muss es machen, er kennt das Stück am besten«, beschloss Pirlo.
Der junge Seiltänzer schrak hoch. »Aber mein Schnurrbart … «
Die anderen lachten. Sie wussten alle, wie lange und mit welcher Hingabe Schnuck seine paar Härchen auf der Oberlippe gehegt und gepflegt hatte, damit sie endlich halbwegs wie ein richtiger Bart aussahen. Doch Widerstand war zwecklos. Schwärzel brachte sein Rasierzeug, Ezzo und Ciaran schnappten sich den lamentierenden Schnuck. Der Bart musste ab.
»Wächst doch wieder«, tröstete Ezzo den
Weitere Kostenlose Bücher