Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)

Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
Vom Netzwerk:
hatte. Ein vollkommenes Wunder der Natur, ein reines Geschöpf Gottes. Geschaffen dafür, einem Mann Lust und Liebe zu geben. Und er, Ciaran, wollte dieser Mann sein.
    Nachdenklich folgte er ihr zu den anderen.

    Am nächsten Tag gleich in aller Frühe zogen sie weiter und erreichten nach kurzer Zeit das altehrwürdige Kloster Laach am Südwestufer des Sees. Pirlo klopfte an die Pforte, um bei den Benediktinern anzufragen, ob ein erbauliches Kirchenspiel oder einige Bibelszenen gelegen kämen, während die anderen gemeinsam zur Westseite der Abtei hinüberwanderten. Sara war überwältigt von der Schönheit der dreihundert Jahre alten Kirche, einer wuchtigen, sechstürmigen Basilika im alten Baustil. Wie eine riesige Burg erhob sie sich über die umliegenden Wiesen und Felder, trutzig und mächtig zur Ehre Gottes. Zum ersten Mal im Leben kam Sara der Gedanke, wie klein und schäbig Gott die schmucklosen jüdischen Synagogen wohl finden musste, so fromm die Menschen auch waren, die darin beteten. Vielleicht ließ er deshalb zu, dass die Juden so viel Leid zu tragen hatten? Vielleicht beeindruckten ihn solch übergroße, steingewordene Beweise des Glaubens, wie sie die Christen bauten, und er nahm dem Volk Abrahams übel, dass es ihm nicht ebenso huldigte?
    »Wollt ihr nicht eintreten, ihr guten Leute, und drinnen ein Gebet an die Heilige Jungfrau Maria richten?« Ein alter Mönch war am Eingangsportal aufgetaucht und streckte mit einladender Geste die Hand aus. »Das Haus Gottes steht auch den Fahrenden offen … «
    Sara erschrak. Noch nie war sie in einer Kirche gewesen, außer damals an diesem furchtbaren Tag des Schlachtens in München, der ihr Leben so plötzlich verändert hatte. Sie wusste doch gar nicht, wie man sich dort drinnen benahm! Aber die anderen waren schon auf dem Weg hinein. Janka hatte sie untergehakt, und Finus hing an ihrer freien Hand, sie musste wohl oder übel mit.
    Zuerst durchquerten sie eine Art quadratischer Säulenhalle, in deren Mitte ein Brunnen leise plätscherte. »Wir nennen diesen Ort ›Paradies‹», erklärte der graubärtige Benediktiner, »weil hier solch ein wunderbarer Friede herrscht.«
    Sara ließ sich von Janka durch die Kirchenpforte dirigieren. Wachen Auges bemerkte sie, dass Ciaran und Schnuck, die vor ihr gingen, zwei Finger in ein steinernes Becken tauchten und sich damit an Stirn, Brustmitte und beide Schultern tupften. Adonai, verzeih, dachte sie und tat es ihnen nach. Sie fühlte sich schäbig, schuldig und schlecht, eine Verräterin, eine, die gemeinsame Sache machte mit den Mördern ihres Volkes. Aber jetzt, wo sie die Kirche bereits betreten hatte, war es zu spät. Hätte sie jetzt zugegeben, dass sie Jüdin war – wer wusste schon, ob sie die anderen nicht aus Hass umbringen würden, weil sie eine heilige Stätte durch ihre Gegenwart entweiht hatte …
    Staunend blickte sie sich um. Wie hoch dieser Bau war, als reiche er geradewegs bis zum Himmel! So viele Säulen und Gewölbebögen, Fenster und Simse, Portale und Nischen – wie war es nur möglich, so etwas zu bauen? Dreihundert Jahre sei die Kirche schon alt, sagte der Mönch, gestiftet vom damaligen Pfalzgraf bei Rhein, Heinrich dem Zweiten, dessen sterbliche Überreste hier lagen. Geweiht sei sie zugleich der Gottesmutter Maria und dem heiligen Nikolaus.
    Sara ging mit den anderen durch das Langhaus nach vorne, um den Hochaltar zu bewundern, einen auf Säulen gestützten Baldachin, der sich über dem Stiftergrab erhob. Alle knieten nieder, um ein Gebet zu sprechen, und Sara tat es ihnen nach. Während die Spielleute gemeinsam das Paternoster murmelten, senkte sie den Kopf und zog ihr Tuch weit ins Gesicht, damit niemand sehen konnte, dass sie nicht mitsprach.
    Danach führte der freundliche Benediktiner sie zu den vielen verschiedenen Altären der Basilika, die ganz offenbar nicht Gott, sondern irgendwelchen Heiligen oder Märtyrern gewidmet waren, von denen Sara noch nie etwas gehört hatte. Die Christen beteten anscheinend eine ganze Menge von Göttern oder gottähnlichen Wesen an, und so, wie sie es verstand, waren diese jeweils für unterschiedliche Dinge zuständig. Die einen für bestimmte Krankheiten, die anderen für gewisse Berufsgruppen, die nächsten für Feuer oder Hungersnot. Es erinnerte sie an das, was sie in der Schule über den griechischen Götterhimmel gelernt hatte. Und dann war da natürlich die Gestalt Jesu, wie immer fahl und leblos an einem Kreuz hängend.
    Schließlich standen sie

Weitere Kostenlose Bücher