Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)
alle vor einem goldglänzenden Marienbild, das die Gottesmutter zeigte, wie sie ihren Sohn liebevoll auf dem Schoß wiegte. Sara wusste, dass die Christen behaupteten, Maria sei trotz ihrer Mutterschaft rein und von einem Mann unberührt. Eine merkwürdig weltfremde Vorstellung! Überhaupt lehnten die Juden eine Verehrung oder gar Anbetung dieser vorgeblichen Gottesmutter ganz und gar ab. Sara kam dazu ein Satz in den Sinn, den sie irgendwo einmal gehört hatte: »Wie kann das blinde Judentum so lichtlos sein, dass es dich, Himmelskönigin, nicht als Jungfrau anerkennt?« Sie schüttelte ganz leicht den Kopf. Für Juden war der Glaube, Gott könne von einer einfachen Magd geboren worden sein, ganz ungeheuerlich! Trotzdem fand Sara das Bildnis von anrührender Schönheit und begann mit einem Mal zu erahnen, warum gerade die christlichen Frauen sich zu dieser mütterlichen Gestalt hingezogen fühlten.
Am Ende war Sara erleichtert, als alle die Kirche wieder verließen und ins helle Tageslicht zurückkehrten. Draußen wartete schon Pirlo und zuckte mit bedauernder Geste die Schultern. »Kinderchen, sie wollen uns nicht«, sagte er. »Auch christliche Theaterstücke sind nichts anderes als Spiel und Verlockung und halten die Menschen nur vom ernsthaften Beten und Arbeiten ab, meint der Abt.«
»Ei, wer nicht will, der hat schon«, brummte Schwärzel. »Lasst diese trübsinnigen Betbrüder unter sich! Zu Andernach gibt’s hoffentlich keine solchen Trauerklöße wie hier.«
Der Name Andernach ließ Sara aufhorchen. Sie wusste, dass es in dieser Stadt seit jeher Juden gegeben hatte. Vielleicht konnte sie hier endlich eine Spur ihrer Familie finden. »Wie lange brauchen wir bis Andernach?«, fragte sie Ezzo, der neben ihr stand.
»Drei Tage, wenn Hiltprand noch lange an der Mauer herumkratzt«, meinte dieser grinsend. »Sonst weniger.« Tatsächlich stand Hiltprand an der Kirchenfassade und schabte mit einem Spatel daran herum. »Schwalbenkot«, gab der Quacksalber ungerührt zurück. »Gut bei Verbrennungen und offenen Geschwüren! Und hervorragendes Wundmittel. Das kommt auf die Schwertverletzungen, die du dir manchmal holst, Ezzo!«
Sara und Ezzo blickten nach oben, wo in luftiger Höhe eine ganze Reihe inzwischen verlassener Schwalbennester unter einem steinernen Sims hing, und Sara schüttelte fast unmerklich den Kopf, bevor sie weitergingen.
Hiltprand hatte die Bewegung gesehen. Dieses Weib würde ihm noch einmal sehr lästig werden, wenn nicht sogar gefährlich. Er fühlte sich wohl bei den Fahrenden, es war besser und sicherer, als allein umherzuziehen. Niemand hatte je an seinem Können gezweifelt, oh, er war geschickt im Täuschen. Natürlich wusste er, dass er die Menschen oft betrog, aber was machte das schon? Hauptsache, es kam Geld herein. Hiltprand war selten vorher so zufrieden mit seinem Leben gewesen. Und nun war diese angebliche Ärztin aufgetaucht! Wie konnte er sich das Weib nur vom Hals schaffen? Den ganzen weiteren Weg nach Andernach brütete der Quacksalber über eine Möglichkeit, Sara zu schaden.
Würcksame Mittel gegen alle mögklichen
Gebresten des Leybes,
Rezepte aus der mittelalterlichen »Dreckapotheke«
Item nimm die jungen Hündtlein vom dritten Wurff einer Hündin, tu sie in ein Topff, der gut verschloßen ist, und prenn sie darin zu Pulffer. Nimm darvon teglich drey Löffel – es hülfet gegen die trockene Hitz und den Hußten.
Wenn man ein Wurm in sich trägt
Zu allerersten mußtu eine lederne Schuh Sohlen verprennen, und nimm von der Aschen den ersten Theil. Für den zweitten Theil nimm Ruß auß dem Schornstein. Der dritt Theil ist naßer Rinder Koth. Für den vierthen Theil such Würmer vom Feldt, dörr sie in der Pfannen und zerstoß sie. Das alles rühr zusammen, und gib vom Harn einer rothen Katze dartzu. Von dem Brey nimm ein Finger Huth voll, es treybet den Wurm aus.
So einer im Altter nit mehr gut sehen kann
Mit einer Kertzen muß er sich den Hinttern gut warm machen und ihn sodann eine Weille über kochende Pferde Milch haltten, biß diese im Topfe einprennt. Dann steck er sich den Blüthen Stängel einer Königskertze tieff in den After hineyn und verschließ ihn mit einem Pfropffen auß leinernem Tuch mit Wachs für drey Tagk.
Zur selben Zeyt nehm er die Galle eines Haßen oder eines Aals, vermisch sie mit Honigk und bestreich die Augen damit. Das hülffet bei schlechtem Augen Lichtt.
Item wenn das Bluth nit auffhöret zu fließen
Sammle im Früjahr Frosch Laych
Weitere Kostenlose Bücher