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Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)

Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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Bart, der den kegelförmigen Judenhut trug.
    »Schalom«, grüßte sie mit klopfendem Herzen. Der Mann sah sie misstrauisch an. Natürlich, sie trug ja kein Judenzeichen und sah aus wie eine gewöhnliche Christin. Aber dann antwortete der Bärtige: »Möge der Frieden mir dir sein.«
    »Ich bin fremd hier«, sagte Sara, »und suche meine Eltern Levi Lämmlein und seine Frau Schönla aus Köln. Und meine Schwester Jochebed.«
    Der Mann schüttelte den Kopf. »Die kenn ich nicht. Aber geh zum Rabbi, vielleicht kann er dir helfen.«
    So fand Sara endlich den Weg in die Judengasse, die gleich beim Burgtor auf der anderen Seite der Festung lag. Der Rabbi war dick, rotgesichtig und gastfreundlich, wie es unter Juden üblich war. Er bewirtete Sara mit Speisen, die sie so lange nicht mehr gegessen hatte: gedämpfter Fisch mit Kräutern, Lammpastetchen und Ölgebackenes. Sie erzählte ihre Geschichte, und er hörte sie mit geschürzten Lippen an. »Wir Andernacher Juden«, sagte er dann, »haben auch viel Schlimmes erlebt. Die Gemeinde wurde beim Ersten Kreuzzug fast völlig ausgelöscht. Früher waren wir viele. Wir lebten in der Kramgasse beim Marktplatz, aber dahin durften wir später nicht wieder zurück. Damit sich überhaupt wieder Juden als Geldverleiher in der Stadt ansiedelten, haben sie uns den Judenturm beim Ochsentor als Zufluchtsort gegeben. Wir sind nur noch wenige, aber immerhin sind uns die alte Synagoge, die Mikwe und ein eigenes Backhaus geblieben.«
    Und dann stellte Sara die Frage nach ihrer Familie.
    »Ein älteres Ehepaar mit einem halbwüchsigen Mädchen?«, murmelte er. »Nein, ich erinnere mich nicht. Und ich müsste es wissen, wenn sie durchgekommen wären. Tut mir leid, Sara bat Levi.«
    Sara ließ den Kopf hängen. Wieder ein Fehlschlag! Zum ersten Mal dachte sie daran, aufzugeben. Sollte sie fragen, ob zu Andernach ein Stadtarzt gebraucht wurde? Aber nein, sie konnte sich nicht dazu durchringen. Noch ein Stück mit den anderen weiterziehen, noch ein paar Städte, noch bis Koblenz vielleicht, oder Mainz …
    Sie dankte dem Rabbi und verabschiedete sich. Traurig ging sie zurück ins Lager.

    Ezzo bemerkte Saras blasses Gesicht und fragte besorgt, ob es ihr wohl nicht gut gehe. Er bot sogar an, Hiltprand zu holen. Sara wehrte entsetzt ab. »Es ist nichts«, sagte sie, »ich muss nur dauernd an den armen Gehenkten denken.«
    Merkwürdig, dachte Ezzo, irgendetwas ist merkwürdig an ihr. Schon vorher war ihm einige Male aufgefallen, dass sie sich seltsam benahm. Wenn man sie nach ihrer Familie fragte, nach der sie doch so verzweifelt suchte, antwortete sie mit Ausflüchten. Auch sonst erzählte sie nichts über sich. In der Klosterkirche zu Laach hatte sie angespannt gewirkt, als ob sie sich dort drinnen unwohl fühlte. Und oft wirkte sie traurig, hatte etwas Dunkles im Blick. Da war etwas in ihrer Vergangenheit, wovon sie nichts erzählen wollte, ganz sicher. Aber es stand ihm nicht an, zu fragen.
    Sara spürte, dass Ezzo mit ihrer Antwort nicht zufrieden war. Den ganzen Tag und auch am Abend hatte sie das Gefühl, als beobachte er sie. Ahnte er etwas? Sie wurde immer unruhiger. Als alle nach dem Essen wie immer im Schein der Fackeln zusammensaßen, stahl sie sich davon. Sie musste eine Zeitlang allein sein, zur Ruhe kommen.
    Nachdenklich sah Ezzo zu, wie Sara das Lager verließ. Wo wollte sie wohl hin, so spät? Nun, es ging ihn ja eigentlich nichts an! Er holte sich noch einen Becher Wein und setzte sich zu Pirlo und Janka, um den morgigen Auftritt der Truppe durchzusprechen. Aber immer wieder sah er dabei hoch, ob Sara inzwischen wieder aufgetaucht war. Es ließ ihm keine Ruhe. Ihr war doch hoffentlich nichts geschehen? Als die Turmuhr schließlich zur zehnten Stunde schlug, ging er los, um nach ihr zu suchen.

    Ziellos wanderte Sara durch die nächtliche Stadt. Vorbei an hell erleuchteten Fenstern, an dunklen Torbögen, über kleine Brücken und Treppen. Sie hing ihren Gedanken nach und war froh, allein zu sein. Es war eine wolkenlose Sommernacht, der Mond schien so hell, dass sie kein Licht brauchte, um sich zurechtzufinden. Überall in diesen Häusern lebten Familien, Menschen, die zueinandergehörten, die ihr Leben miteinander teilten. Sara wünschte sich so sehr, ihre Elten und Jochi wiederzusehen, dass es wehtat. Sie ging an einer Taverne vorbei, der einzigen, die noch offen hatte. Aus den geöffneten Fenstern drang Stimmengewirr, irgendjemand sang. Sara blieb stehen, um zuzuhören, es war ein

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