Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)
fröhliches Lied, in dem ein Mann Anzügliches über seine Geliebte zum Besten gab:
»Lieber hätt ich mit ihr
fünf mal hundert Pfund in Silber
und noch eine Truhe Gold,
als von ihr getrennt zu sein,
ganz allein und arm und krank.
Wie schade, dass ich nicht der Seidenschleier bin,
der von ihren Wänglein hängt,
vor den so roten Lippen.
Wär ich der Gürtel, den die Liebste trägt,
wenn sie ausgeht, um zu tanzen!
Ich legt mich um ihren Leib,
umschlöss sie sanft
und wär am Ziel der Wünsche,
da, wo die Schnalle sitzt!«
Sie hörte das Gelächter in der Schankstube und lächelte mit. Dann
beschloss sie, umzukehren, es war schon spät. Sie lief an einem
der kleinen Bäche entlang, die Andernach durchzogen. Ihr Wasser
trieb eine Reihe von Mühlen an: Kornmühlen, aber auch Walkund
Poliermühlen, die vom Handwerk genutzt wurden und zum
Reichtum der Stadt beitrugen.
Ezzo bog gerade um die Ecke eines Getreidespeichers, als er Sara entdeckte, wie sie im Mondschein über einen schmalen Steg ging. Ein Stück den Bach hinunter lief ein riesiges Mühlrad, Wasserkaskaden fielen schäumend in ein tiefes Becken, es rauschte und gluckerte. Sara lenkte ihre Schritte auf das Mühlrad zu, sie trug ihren Mantel locker über dem Arm und sah nach unten ins schnell fließende Wasser. Da plötzlich war Ezzo, als habe er aus dem Augenwinkel eine schnelle Bewegung hinter ihr wahrgenommen. Unbehagen stieg in ihm auf. War da jemand? Ezzo drückte sich an die Wand des Speichers und spähte angestrengt in die Finsternis. Hatte er überhaupt richtig gesehen, oder narrte ihn seine eigene Phantasie? Da! Ein Schatten huschte über den Weg! Diesmal war Ezzo sich sicher: Jemand folgte Sara im Dunkeln durch die nächtlichen Gassen! Vorsichtig schlich Ezzo hinter Sara und ihrem Verfolger her. Was wollte der Mann von ihr? Hatte das etwas mit ihrer Vergangenheit zu tun, von der sie nie sprach? Manchmal war sie schon seltsam, verschlossen, wirkte oft ängstlich oder abwesend. War sie in Gefahr? Hatte irgendjemand Grund, ihr übelzuwollen? Und verstrickte sie dadurch womöglich die Fahrenden in irgendwelche bedrohlichen Machenschaften? Ezzo tastete unwillkürlich nach seinem Schwert – er hatte es nicht umgeschnallt. Aber wenigstens das Essmesser hing in einem Futteral an seinem Gürtel. Besser als nichts. Während seine Finger sich um den Horngriff des Messers schlossen, sah er plötzlich, wie die schwarze Gestalt von hinten auf Sara zuschlich, die gerade den Steg über das Bächlein betrat. Der Verfolger hielt die Arme vorgestreckt, bereit, sie in das laufende Mühlrad zu stoßen. Ezzo öffnete den Mund, doch bevor er einen Warnruf ausstoßen konnte, schwankte aus einer Seitengasse ein Mann und lief mit unsicheren Schritten auf die beiden zu. Die Gestalt hinter Sara war plötzlich verschwunden. Leise vor sich hin murmelnd torkelte der Betrunkene an dem Brücklein vorbei und um die nächste Ecke.
Ezzo atmete auf. Er folgte Sara in dichtem Abstand, aber der geheimnisvolle andere Mann kam nicht wieder. So gelangten sie wieder zum Lager, wo Sara gleich in ihrem Zelt verschwand.
Auch Ezzo ging zu Bett, konnte aber lange nicht schlafen. Welches dunkle Geheimnis barg die Ärztin? Wer war der nächtliche Verfolger gewesen? Und warum hatte er Böses im Schild geführt? Irgendetwas an der Gestalt war ihm bekannt vorgekommen, aber so sehr Ezzo sich auch den Kopf zermarterte, ihm fiel nicht ein, was es gewesen war. Er beschloss, in der nächsten Zeit die Augen offen zu halten.
Sara
Während wir den Rhein aufwärts zogen, wurden Ciaran, M Ezzo und ich immer unzertrennlicher. Wir waren wie die drei verflochtenen Stränge eines Zopfes, dauernd zusammen. Und obwohl oder vielleicht gerade weil wir völlig unterschiedliche Menschen waren, ergänzten wir uns vollkommen. Da war der leichtfertige Ciaran, der sich voll Freude ins Leben warf wie ein Schwimmer ins Wasser. Nie nahm er die Dinge wirklich ernst, für ihn war alles ein Spiel. In jedem Ort machte er ein Mädchen glücklich, flatterte wie ein Schmetterling von einer zur anderen. Dass er sich irgendwann auch in mich verlieben könnte, daran dachte ich damals noch nicht. Dann der ritterliche Ezzo, männlich, ein Kämpfer und Beschützer. Ich hielt ihn für den ehrlichsten, anständigsten Menschen, der mir je begegnet war. Trotz seiner Fröhlichkeit nahm er nichts leicht, fühlte sich immer für andere verantwortlich. Auch äußerlich war er das Gegenteil von Ciaran: Der eine schlaksig, mit fast
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