Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)
gelehrt!«
Ezzo versuchte, sich herauszuwinden. »Ei, das mag wohl sein, Herr.« Er hatte schon überlegt, mit welchem der adeligen Zuschauer er anschließend das erste heimliche Gespräch führen wollte. Dieser Disput kam ihm gar nicht recht.
»Was soll das heißen: ›Das mag wohl sein, Herr?‹«, äffte der junge Ritter Ezzo nach. Er konnte kaum noch verständlich reden, so betrunken war er. »›Da bin ich mir sicher, Herr!‹ muss es heißen, du Lümmel!«
Ezzo deutete eine kleine Verbeugung an. »Da bin ich mir sicher, Herr!«, wiederholte er und wollte an dem Betrunkenen vorbei. Er hatte nun wirklich keine Lust, sich mit diesem Weinsack aufzuhalten. Doch der fühlte sich allein schon durch den kühlen Tonfall seines Gegenübers beleidigt. »Wirst jetzt wohl auch noch unverschämt, he? So lass ich nicht mir mir reden, du Eselsgosche! Brauchst wohl ein paar Maulschellen, he, damit du deinen Platz wieder weißt?«
Ein anderer von der Jagdgesellschaft stand auf, um seinen Freund zu beruhigen, aber der hatte schon ausgeholt, um Ezzo ins Gesicht zu schlagen. Ezzo hob blitzschnell den Arm und packte den Streithammel beim Handgelenk. Eine Rangelei entwickelte sich. »Lasst gut sein, Herr, ich will keinen Ärger mit Euch«, presste Ezzo zwischen den Zähnen hervor, während er versuchte, den Betrunkenen abzuwehren. Und plötzlich, keiner hatte es kommen sehen, hielt der von Stein ein Messer in der Hand und ging damit auf Ezzo los. Ein Schnitt, dann waren etliche der Tischgenossen aufgesprungen und entwanden dem Angreifer die Waffe. Aber es war schon zu spät. In Ezzos weißem Hemd klaffte über der Brust ein Riss, und schon färbte sich der Stoff blutig. Einige Aufregung entstand, aber Ezzo presste nur die Hand auf die Verletzung und wehrte ab. »Es ist nichts, Ihr Herren, nur ein Kratzer. Nicht der Rede wert.«
Aber der kleine Zwischenfall hatte nun schon zu einiger Ernüchterung unter den adeligen Herren geführt. Der fröhliche Abend war zu Ende, und die Spielleute machten sich im Licht der Fackeln auf den Heimweg.
Sara hatte schon geschlafen, als sie plötzlich ein Scharren vor ihrem Zelt hörte.
»Sanna? Bist du da?«
Das klang nach Ezzo. Sara stand auf, legte ein Schultertuch um ihr leinenes Unterkleid und steckte den Kopf durch den Eingangsschlitz. »Was ist los?«, fragte sie schlaftrunken.
Er stand da, eine Fackel in der Linken, und sie sah auf den ersten Blick, dass er verletzt war. Sofort war sie hellwach, ein kleiner Schrei entfuhr ihr. »Nicht so schlimm«, wehrte Ezzo gleich ab. »Aber ich hätte doch gern, dass du es dir ansiehst.«
Sie zögerte. »Wäre es nicht besser, du gingst zu Hiltprand? Du weißt, unsere Abmachung … «
»Ich möchte aber lieber zu dir.«
Sie nickte seufzend. »Komm«, sagte sie.
Er ließ seinen Kienspan draußen und setzte sich auf ihr leibwarmes Lager, während sie ein paar Kerzen an der Flamme entzündete und rundherum aufstellte. Dann half sie ihm, das blutige Hemd über den Kopf zu ziehen, und hieß ihn sich hinlegen. Im rötlichen Kerzenschein wrang sie ein sauberes Tuch in der Wasserschüssel aus, die immer bereitstand, und wusch das Blut ab. Seine Brust war fest und glatt, harte Muskeln unter weicher Haut. Sara konnte nicht umhin, zu lächeln. Er ist schön, dachte sie, ein Körper, wie ihn ein Maler nicht besser zeichnen könnte. »Was denkst du?«, fragte Ezzo, und sie fühlte sich ertappt. »Nichts.« Sie drehte sich weg, um nach einem neuen Tuch zu greifen; so konnte er nicht sehen, wie sie errötete. Sanft tupfte sie seine Brust trocken. Er sog leise die Luft durch die Zähne ein, als sie die Wunde vorsichtig betastete. Tatsächlich war es nur ein oberflächlicher Schnitt durch die Haut, der schräg über der rechten Brusthälfte verlief. »Du sollst doch nicht raufen«, mahnte sie ihn vorwurfsvoll.
»Ich konnte nichts dafür«, wehrte er sich. »Außerdem – du solltest erst mal den anderen sehen!« Er zwinkerte ihr zu, und sie schlug spielerisch mit dem Tuch nach ihm, vorsichtig, um die Wunde nicht zu treffen. »Das sagen sie alle!«, lächelte sie.
Dann wurde sie wieder ernst. »Es wäre besser, wenn ich den Schnitt nähe, sonst könnte die Narbe wuchern. Soll ich?«
Er nickte. »Du bist die Ärztin.«
Sie holte ihr Nähzeug. Erst griff sie nach dem üblichen Rosshaar, aber dann schlossen sich ihre Finger wie von selbst über etwas anderem: Der Rolle mit dem Seidenfaden, schimmernd und glatt. Gleichzeitig schüttelte sie den Kopf über sich
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